Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
wird die Gerechtigkeit um 180 Grad verdreht. Der Unterschied ist nur, dass ich mittlerweile handeln kann, wenn ich das will. Ich bin durch den Schaden und die Erfahrung klug geworden.«
Michael beugte sich zu ihm vor. Die Augen, die eigentlich fanatisch hätten leuchten müssen, wirkten nur unendlich traurig.
»Ich will hiermit Kleopatras Kamm den Auftrag erteilen, Esbjörn Ahlenius zu liquidieren. Ich bin mir sicher, dass ihr über die richtigen Kontakte verfügt, um diesen Auftrag auszuführen. Wenn ihr das tut, kannst du das Fata Morgana übernehmen. Ich überschreibe dir das Lokal, sobald die Sache erledigt ist. Dann besitzt du eines der besten Nachtlokale in Stockholm.«
KAPITEL 20
N ach Möglichkeit mied Anna die Gesellschaft von Mari und Fredrik. Papas Umzug hatte ihr einen Grund gegeben, sich fernzuhalten, und dafür war sie dankbar. Die reservierte Wohnung in Dalarna stand bereit und war möbliert. Als Papa die Nachricht erhalten hatte, hatte er sich nur umgesehen und gemeint, die alten Sachen in seiner Wohnung seien ihm gleichgültig, außerdem sei das ohnehin bald nicht mehr sein Zuhause.
»Wenn ich ein neues Leben anfange, kann ich es auch gleich richtig machen. Wenn es dort Möbel gibt, dann muss ich diesen Schrott gar nicht erst mitschleppen«, erklärte er unsentimental. Zusammen packten sie ein paar Taschen mit Kleidern und persönlichen Habseligkeiten zusammen, auch die Geige. Die Wohnung zu verkaufen würde dauern, falls sie sich nicht ohnehin entschlössen, sie möbliert zu vermieten. Aber das konnten sie später entscheiden. Im Augenblick erschien ihnen das nicht wichtig.
Die Fahrt dauerte einige Stunden. Mit jedem Kilometer, den sie zurücklegten, wirkte Papa jünger. Er öffnete das Seitenfenster, und der Fahrtwind fuhr ihm durch seine wenigen verbliebenen Haarbüschel, und er sang bei den alten Schlagern im Autoradio mit. Irgendwann wandte er sich ihr zu und meinte, er fühle sich wie der Held in einem Roadmovie. Die Art, wie er das amerikanische Wort aussprach, brachte sie
zum ersten Mal seit langem richtig zum Lachen. Dann hielten sie am Rand der Landstraße an, breiteten eine Decke aus und tischten das Picknick auf. Papa aß mit gutem Appetit, er stand fest auf seinen Beinen und atmete gleichmäßig, zog allerdings ab und zu ein Taschentuch hervor, um sich den Schweiß aus der Stirn zu wischen.
Sie erreichten sein neues Domizil am Nachmittag. Die Leiterin, Gun, empfing sie und meinte, dass sie ja sogar das Wetter willkommen heiße. Der gepflegte Garten duftete nach Herbst, verhieß aber bereits den Frühling. Der gemähte Rasen ging in die wilden und weitläufigen Hügel über. Zusammen betraten sie Papas neue Wohnung, die sehr hell war und hübsch mit Kiefernmöbeln möbliert. Viele waren aus Holz aus der Gegend. Als sich Papa in einen der Sessel am Fenster sinken ließ, erübrigten sich die Worte. Schweigend genossen sie die Aussicht, ehe sie begannen, einige der Kleider im Kleiderschrank aufzuhängen. Wenig später erschien Gun und lud sie zum Abendessen ein. Im Speisesaal, einem weitläufigen und gemütlichen Raum mit großen Fenstern auf einer Längsseite, saßen mehrere ältere Männer und Frauen bereits am Tisch. Papa erhielt einen Platz an einem dieser Tische, Gun und sie nahmen an einem anderen Platz.
Der Fischeintopf schmeckte nach Liebe und nicht nach Altenheim. Während Anna aß, sah sie, dass ihr Vater bereits in ein lebhaftes Gespräch verwickelt war. Die Frauen an seinem Tisch schienen sich zu freuen, dass ein neuer Mann zu ihnen gestoßen war, für den sie sich schön machen konnten. Gun erklärte die Abläufe, wann gegessen wurde, was für Aktivitäten angeboten wurden. Im Nachbarhaus gab es eine Pflegeabteilung. Ärztliche Untersuchungen wurden regelmäßig durchgeführt. Anna war den Tränen nahe. Dass es in diesem Land, in dieser Gesellschaft, möglich war, ein Altenheim zu finden, in dem das Leben lebenswert war und in dem man dann auch noch krank werden und sterben durfte, erleichterte
sie ungemein. Dann erinnerte sie sich jedoch daran, dass auch das Paradies seinen Preis hatte und dass sie das Geld einem Pakt mit dem Teufel verdankte. Sie beschloss jedoch vorübergehend eine große schwarze Persenning über ihr Gewissen zu ziehen. Das hier war gut. Das hier musste gut sein. Punkt.
Sie blieb über Nacht. Zum Tee am Morgen gab es frischgebackenes Brot. Dann packte sie Papas restliche Sachen aus und unternahm mit ihm einen Spaziergang. Wann war er zuletzt so
Weitere Kostenlose Bücher