Mord Unter Segeln
ich einfach nicht nachgedacht, sondern in so 'ner Art Kurzschlussreaktion den Inhalt gelöscht. Mir hätte klar sein müssen, dass mich das verdächtig macht. Aber daran hab ich eben nicht gedacht.«
»Was waren denn das für Mails, dass Sie dachten, sie löschen zu müssen?«
»Ach, nichts Wildes. Charmante Nettigkeiten. Ab und an haben wir uns auch über unsere Partner ausgelassen. Sie kennen das ja. Wenn man sich über den anderen ärgert und so. So was jedenfalls haben wir uns geschrieben.« Er zögerte. »Gut, manches, was ich über Edeltraud geschrieben hab, war vielleicht ein wenig heftig. Ich wollte nicht, dass das jemand anders als Simone liest. Deshalb hab ich alles gelöscht.«
Christine hob zweifelnd die Augenbrauen. »Ja dann, danke erst einmal. Es kann sein, dass ich mich diesbezüglich noch einmal bei Ihnen melde.« Während sie auflegte, schüttelte sie den Kopf.
»Was ist denn?«, fragte Dirks, der gerade hereinkam.
»Ich hab mit Schöneberg telefoniert. Und ich glaube ihm kein Wort.«
***
Ingo Tapken war ein kleiner Mann mit einem rundlichen Bauch. Sein Gesicht war braun gebrannt, man sah sofort, dass er jede freie Minute an der frischen Luft verbrachte. Sie saßen im Restaurant mit Blick auf den Binnenhafen Hooksiels; sechs Segelboote hatten die Schleuse verlassen und fuhren binnenwärts in das Hooksmeer. Tapken hatte ihnen tatsächlich einen Kaffee angeboten, den er in einer dieser zischenden Restaurantmaschinen gebrüht hatte. Inzwischen waren die Tassen leer, und Tapken betrachtete nickend die Fotos.
»Ja, das ist zweifelsfrei die ›Luzifer‹. Die ist über Jahre regelmäßig hier gewesen. Sie gehört einem Bremer: Dr. Wolf Harpstedt. Das ist ein fröhlicher Kerl, der gern genießt und immer einen intelligenten Scherz auf Lager hat. Leider hab ich lange nichts von ihm gehört. Das Schiff lag die letzten zwei Jahre bei uns im Hafen, ohne dass die Liegegebühren bezahlt wurden. Mahnungen und Mahnbescheide kamen zurück. Dr. Harpstedt ist wie vom Erdboden verschluckt. Wir haben letztlich zu dem einzigen Mittel gegriffen, das uns rein rechtlich bleibt. Wir haben die ›Luzifer‹ für die Zwangsversteigerung vorgesehen. Anders sind die Kosten nicht hereinzubringen.«
»Dürfen Sie das denn überhaupt? Und kommt so etwas oft vor?« Oda war skeptisch, denn immerhin besaß so ein Schiff doch einen wesentlich höheren Wert, als ein paar Monate Liegegebühr ausmachten.
»Nein, es kommt Gott sei Dank nicht oft vor, aber ja, wir dürfen das. Es wurde Dr. Harpstedt natürlich in mehreren Schreiben angekündigt, aber er hat nicht reagiert. Und uns sind leider die Hände gebunden, was weitere Recherchen betrifft. Wir wissen nur, er zahlt nicht, darum müssen wir andere Wege beschreiten. Glauben Sie mir, das tut mir wirklich leid, denn ich mag Wolf. Wir haben immer gern bei einem Glas Wein und ein paar Scampi zusammengesessen und die Welt verbessert. Ich habe auch versucht, ihn privat zu erreichen, habe ja seine Handynummer, aber auch da ist alles wie abgeschnitten.«
»Sie sind sich aber sicher, dass das Schiff auf diesen Bildern die ›Luzifer‹ ist?«, fragte Lemke und tippte noch einmal auf die Fotos.
»Natürlich. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Ich kenne das Boot. Bin schon oft an Bord gewesen. Hier«, er zog eines der Bilder hervor, »wenn Sie genau hinsehen, können Sie das kleine Teufelchen sehen, das da eingebrannt ist.« Er zeigte auf einen Punkt neben der Leiter. »Wolf fand das köstlich, keine Ahnung, wo er dieses Brandzeichen herhatte, aber er sagte, so wäre der Name für immer mit dem Schiff verbunden.«
Oda warf Lemke einen fragenden Blick zu. Das Teufelchen hatten sie gesehen, es aber lediglich als dekoratives Holz-Branding betrachtet und nicht in Zusammenhang mit dem Namen des Schiffes gebracht. Natürlich, jetzt, wo Tapken es sagte, war es offensichtlich. Sie merkte, dass sie sich über sich selbst ärgerte. Ging denn in diesen Tagen alles schief? Lief gar nichts so, wie es normalerweise laufen sollte? Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben.
»Wie lauten Anschrift und Telefonnummer des Eigners?«, fragte sie. »Im Gegensatz zu Ihnen sind uns die Hände in Sachen Recherche nicht gebunden. Wir werden Ihnen sicher recht bald sagen können, warum der werte Herr seine Liegegebühren nicht bezahlt hat.«
»Hier.« Tapken reichte ihr einen Zettel. »Da steht alles noch mal drauf. Ich hab das gleich nach unserem Telefonat rausgesucht.« Er sah Lemke an. »Sie müssten
Weitere Kostenlose Bücher