Mord Unter Segeln
Richtung Bremen aufgebrochen, hatten nur kurz bei Nieksteit Bescheid gesagt.
»Du kennst dich doch hier aus, oder nicht?«, fragte Oda Lemke, der seltsam angefasst reagierte.
»Worauf spielst du an?«
»Auf nichts«, entgegnete Oda irritiert. Was war denn plötzlich in den gefahren? Versteh einer die Männer. »Ich hab nur irgendwie im Hinterkopf, dass du öfter mal in Bremen bist.«
»Gewesen.«
»Gewesen bist. Von mir aus. Also: Kennst du dich nun aus und weißt, wo wir hinmüssen?«
»Nö.«
»Na klasse.« Oda merkte, dass sie innerlich anfing zu kochen. »Also fahr ich jetzt hier runter. Irgendwo werden wir sicher jemanden finden, der uns Auskunft gibt.«
»Brauchst nicht runterzufahren.« Lemke zückte sein Handy aus der Hosentasche. »Wie war die Adresse noch mal?«
»Steht auf dem Zettel.« Oda wies mit der Hand auf das Blatt, das sie in die Mittelkonsole gesteckt hatte. Lemke griff danach, und kurze Zeit später schnarrte eine Frauenstimme: »Die Route wurde berechnet. Dem Straßenverlauf zwei Kilometer folgen.«
Oda warf einen verdutzten Blick rüber zum Beifahrersitz.
»Brauchst gar nicht so blöd zu gucken«, sagte Lemke grinsend. »Glaubst du denn, ich wäre mit dir ohne Navi hierhergefahren? Zeitvergeudung ist nicht mein Ding, und hinter dem Mond lebe ich auch nicht, selbst wenn ich viel Zeit am PC verbringe.«
Eine Viertelstunde später standen sie am Empfangstresen der Bremer Reha-Klinik und fragten nach Dr. Harpstedt. Ohne dass sie groß erklären mussten, wer sie waren und warum sie kamen, wurde ihnen Auskunft erteilt: »Dritter Stock rechts. Der Name steht an der Tür.«
»Brauchst gar nicht so kritisch zu gucken«, sagte Lemke, als sie mit dem Fahrstuhl hochfuhren. »Das ist so in Krankenhäusern. Du fragst, sie antworten.«
»Aber wir könnten doch jemand sein, der dem Mann an den Kragen will. Und da kriegt man so einfach Auskunft, wo das Dienstzimmer ist. Das finde ich unverständlich, ja schon richtiggehend fahrlässig. Denk doch mal an die Amokläufer der vergangenen Jahre.«
»Ach, du immer mit deiner kriminellen Phantasie. Ich kann mich nicht erinnern, dass da einer in einem Krankenhaus um sich geschossen hat. Und wir zwei sehen doch nun verdammt solide aus. Nicht mal ein Maschinengewehr haben wir dabei.«
»Verarschen kann ich mich allein.«
Eine elektronische Stimme vermeldete: »Dritter Stock«, die Türen des Fahrstuhls glitten nahezu geräuschlos auf, und sie liefen einen mit blauem Teppich ausgelegten Flur entlang, von dem erstaunlich viele Zimmer abgingen. Die Türen waren jedoch größtenteils geschlossen.
»Hier.« Lemke deutete auf ein Schild neben einer Tür. »Dr. Wolf Harpstedt.«
Oda klopfte schwungvoll an. Nichts. Keine Reaktion. Fragend blickte sie zu Lemke.
»Klopf noch mal«, riet der, und Oda pochte erneut ans Holz.
Wieder nichts.
»Ob er nicht da ist?«, argwöhnte Lemke.
»Keine Ahnung. Vielleicht hat er auch nur gerade einen Patienten.« Oda verzog den Mund. »Ob wir einfach mal reingehen sollen?«
»Kann ich Ihnen helfen?«, hörten sie die frische Stimme einer jungen Krankenschwester fragen. »Sie wollen zu Dr. Harpstedt? Moment. Ich guck mal.« Auch sie klopfte kräftig, drückte jedoch gleichzeitig die Klinke herunter und betrat ohne Zögern das Zimmer. Für einen Moment war sie außer Sichtweite, Oda konnte nur das Ende eines Bettes mit blauem Bettzeug sehen und durch ein großes, raumhohes Fenster hinaus ins Grüne.
»Das da drin ist kein Arzt, sondern ein Patient«, raunte sie Lemke überrascht zu.
***
»Sieh es mal positiv«, sagte Alex zu Jürgen. Sie saßen auf der Terrasse des »Pier 24« an der Deichbrücke und blickten auf den Kanal, der heute gemächlich dalag, ohne irgendwelche Kräuselungen auf dem Wasser. Idyllisch nahezu. »Hat ja auch Vorteile, das Ganze. Du hast jetzt 'ne größere Wohnung und musst dich nur auf eine neue Person einstellen, statt dich gleich mit zweien abzuplagen. Da kannst du deine Tochter doch ganz gut kennenlernen.« Alex' Grinsen wurde breiter. »Und wenn sie dir zu sehr auf die Nerven geht, kannst du ja zu uns kommen.«
»Blödmann«, sagte Jürgen, lachte aber mit.
»Wann kommt sie denn an?«
»Laura? Um Viertel nach zwei.«
»Heute?« Alex fielen fast die Augen aus dem Kopf vor Schreck.
»Ja.«
»Ach, du Scheiße.«
»Ja.«
»Weiß Mama das schon?«
»Nein. Hab heute Morgen erst den Anruf bekommen. Aus dem Zug. Oda war schon unterwegs, ich hab's bei euch zu Haus versucht, wollte sie
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