Mord zur Bescherung
schwer aussah.
Sein Gesicht war rosig, vielleicht vor Kälte. Wenn er lächelte, glänzten seine beiden leicht vorstehenden großen Schneidezähne.
»Das ist schon mal die erste Lieferung Würste. Ihre Mutter hat die zweite Tüte. Sie und der Chef sind noch schnell zusammen Mittag essen gegangen. Sieht ja ganz so aus, als hätten die beiden einiges zu besprechen.«
»Ah ja. Den Mord an Baths höchsteigenem Mr. Scrooge, habe ich mir sagen lassen.«
Ein wissendes Lächeln erhellte das runde Gesicht des Polizisten, und er blinzelte Lindsey mit Verschwörermiene zu. »Klar, und die bevorstehende Hochzeit. Ich denke, da haben sie auch noch einiges zu arrangieren.«
Lindsey zog die Stirn in Falten. »Wie bitte?«
»Ihre Mutter hat gesagt, dass sie die Verlobte des Chefs ist. Ich hab’s aus berufenem Munde.« Er unterbrach sich, nachdemer Lindseys Gesichtsausdruck bemerkt hatte. »Das sollte doch nicht etwa geheim bleiben?«
»Nein. Nein. Natürlich nicht.«
»Dann tschüss. Und fröhliche Weihnachten!«
»Fröhliche Weihnachten.«
Lindsey spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Wer sonst wusste es noch? Das würde sie jetzt rausfinden, verflixt und zugenäht! Zuerst fragte sie Anna.
Die war völlig begeistert, als sie die Nachricht erfuhr. »Wie wunderbar!«
»Wusstest du davon?«
Anna schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es ist doch herrlich, nicht?«
Lindsey wollte sich da nicht festlegen. Ja, es war herrlich. Aber noch herrlicher wäre es gewesen, wenn man es ihr zuerst erzählt hätte. Was lief hier ab?
Sobald sie sich in der friedlichen Stille eines unbelegten Zimmers befand, tippte sie die Handynummer ihrer Mutter.
»Was höre ich da, dass ihr heiratet, du und Doherty?«
Am anderen Ende herrschte benommenes Schweigen.
»Ich wollte es dir immer sagen«, begann ihre Mutter zögerlich, »aber du weißt doch, wie viel zu tun war. Wie hast du …?«
»Von einem Wildfremden. Ein wildfremder Mann mit einer Polizeiuniform und einer Tüte Würste in der Hand hat es mir erzählt.«
»Wir haben noch nichts fest vereinbart …«
»Und zweifellos erfahre ich es dann auch als Allerletzte, wenn ihr was vereinbart.«
Sie beendete das Gespräch abrupt. Sie war ihrer Mutter gegenüber nicht mehr so aufsässig gewesen, seit sie vierzehn Jahre alt war und wie alle Teenager ausprobierte, wie weitsie gehen konnte. Aufsässigkeit, das gehörte in dem Alter einfach dazu – und sie war nicht einmal besonders frech gewesen. Vielleicht war dies eine leicht verzögerte pubertäre Reaktion?, überlegte Lindsey.
»Oder ich bin einfach eine Spätentwicklerin«, murmelte sie und machte sich auf den Weg in die Küche.
Sie stürmte zur Küchentür herein, die krachend hinter ihr zufiel. Ihre Augen funkelten wütend.
»Okay. Wer hier weiß davon, dass meine Mutter verlobt ist?«
Smudger wich in Richtung Herd zurück und schüttelte energisch den Kopf.
»Ich weiß nichts. Überhaupt nichts. Ich bin nur der Chef im Maschinenraum, okay?«
Nein, nichts war okay, aber sie überließ die Leute in der Küche wieder ihrer Arbeit und blieb erst stehen, als sie einen passenden Alkoven erreicht hatte. Davon gab es im Green River Hotel jede Menge. Sie stand mit geschlossenen Augen und wild klopfendem Herzen da in der Ecke. Sie war wütend. Sehr wütend!
Dass ein stinknormaler Polizist ihr die Neuigkeiten mitgeteilt hatte, ehe ihre Mutter es getan hatte! Das war nicht in Ordnung. Das war überhaupt nicht in Ordnung!
Wäre Anna inzwischen von ihrer kleinen Ruhepause zurückgekehrt gewesen und Mary Jane nicht in den Empfangsbereich gerauscht gekommen, so hätte Lindsey vielleicht ihre Mutter noch einmal angerufen und sich entschuldigt. Aber Anna war nirgends zu sehen, und Mary Jane sah sehr aufgeregt aus und musste ihr anscheinend unbedingt etwas erzählen.
»Ich habe mir überlegt, dass ich vielleicht am zweiten Feiertag eine Séance abhalte. Die Veranstaltung mit den Gespenstergeschichten ist völlig ausgebucht. Ich habe mir gedacht,dass ein paar von den Leuten, die dahin gehen, vielleicht auch zu einer Séance kommen würden. Was meinst du?«
Lindsey dachte darüber nach. »Hast du je bei so was jemanden heraufbeschworen?«
»Natürlich. Da war die spanische Frau, deren Mann verdächtigt wurde, sie ermordet zu haben; und der Straßenräuber aus Lincolnshire, den sie damals aufgehängt haben; am aufregendsten von allen war allerdings der Gentleman aus dem Regency-Zeitalter, der sich erschossen hat, nachdem er alles beim
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