Mord zur Bescherung
Speiseraum marschierte – in Bath gar nicht so ungewöhnlich. Ein echter Alptraum war es, wenn ihr toter Ehemann Carl auftauchte, als Gespenst oder scheinbar lebendig. Daher ihre Unruhe über Jake Truebodys Besuch.
Honey trug nichts außer einem Tropfen Chanel hinter den Ohren, stapelte drei Kissen hinter sich auf und setzte sich aufrecht hin, Block und Stift in der Hand. Sie war bereit.
Und was jetzt?
Gut. Aber eins nach dem anderen aufschreiben, was sieüber den Tod von Clarence Scrimshaw wusste. Was fällt mir an diesem Mann am meisten auf?
Zuerst der Name. Könnte durchaus aus einem Roman von Charles Dickens stammen. Scrimshaw. Sie hatte noch nie jemanden kennengelernt, der so hieß. Der Name war wirklich altmodisch und sehr ungewöhnlich. Sie tippte sich mit dem Ende des Stifts an die Lippe und überlegte, wie das wohl gekommen war. Es musste doch einmal mehr Scrimshaws gegeben haben?
Aber das trug alles nichts zur Lösung bei. Die leere Seite vor ihr wartete auf weise Erkenntnisse zum Mord an Clarence Scrimshaw. Hier mussten Wörter hingeschrieben werden. Die leere Seite verlangte es.
Erst kamen die Überschriften. Wie, wann und wo ist er gestorben? Dahinter notierte sie die Fragen und Hinweise. Erstens: Warum zur Sicherheit drei Mordmethoden? Jede einzelne hätte schon gereicht, Scrimshaw umzubringen. Man musste jemanden schon sehr hassen, wenn man ihn gleich dreimal tötete. Vielleicht sollte es eine Art Rätsel für die Polizei sein? Finden Sie heraus, welche Mordmethode nicht angewandt wurde. Das war einfach: Pistolen.
Noch einmal durchlesen, was sie geschrieben hatte, das half ihr auch nicht viel weiter. Da standen die drei Mordmethoden nun schwarz auf weiß, aber bisher war ihr kein Licht aufgegangen.
Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Tatmotiv. Das war nicht so leicht. Wer hatte eines? Scrimshaws Angestellte hielten ihn für einen schrecklichen Geizkragen. Hatte einer von ihnen beschlossen, ihn aus diesem jämmerlichen Dasein zu erlösen? Oder am Ende alle?
Nichts passte zusammen. Gut, ein unzufriedener Angestellter konnte schon einmal im Zorn einen Mord begehen, gleich auf der Stelle packte er vielleicht den nächsten schwerenGegenstand, der zur Hand war, und schlug damit zu. Sie erinnerte sich an zwei schöne massive Messingtischlampen am Ort des Verbrechens. Jeder, der in plötzlich aufwallender Wut seinen Chef umbringen wollte, hätte sich eine davon geschnappt und sie dem alten Clarence über die Rübe gezogen, wäre sich seiner Schreckenstat bewusst geworden und hätte sich umgehend aus dem Staub gemacht und Bath verlassen, so schnell ihn seine Beine oder sein Auto trugen.
Ein unzufriedener Autor, eine unzufriedene Schriftstellerin, das war eine weitere Möglichkeit. Nach allem, was sie gehört hatte, behandelten Verlage am Anfang ihre Autoren nicht sonderlich gut. Man erwartete, dass sie ordentlich schufteten, und zog sie ab und zu über den Tisch. Nach einer Weile und mit ein bisschen Insiderwissen änderte sich das ein wenig. Die Autoren waren zwar immer noch bereit zu arbeiten, aber sie waren nicht mehr bereit, sich über den Tisch ziehen zu lassen.
Patricia Pontefract war ein Beispiel dafür. Ihre brüske Art konnte man auch als unverblümte Ehrlichkeit interpretieren, aber das bedeutete ja nicht, dass sie deswegen die Wahrheit sagte. Schließlich schrieb die Frau Romane.
Scrimshaw hatte sich wahrscheinlich im Laufe der Jahre nicht nur Freunde gemacht. Dohertys Team hatte rasch und ziemlich gründlich über das Leben des alten Herren recherchiert. Es schien, dass Clarence Scrimshaws engste Bekannte sein Steuerberater und sein Rechtsanwalt waren. Beide wollte Doherty möglichst noch vor den Feiertagen aufsuchen, vielleicht zu ihnen nach Hause gehen. Denn in keinem der Berufe war es wahrscheinlich, dass sie ihre Büros vor dem fünften Januar wieder öffneten.
Was die Angestellten von Scrimshaw anging, so war da zunächst Samantha Brown. Sie war hübsch, aber nicht die Hellste und laut Befragung alleinerziehende Mutter. Anscheinendpasste ihre Mutter drei Tage in der Woche auf das Kind auf, und an den beiden restlichen Tagen war es in einer Kindertagesstätte mit Namen Kleine Krabbelkerlchen . So was war nicht gerade billig. Samantha konnte unmöglich so viel Geld verdienen. Wer, fragte sich Honey, bezahlte das also? Der Vater? Und wer war der Vater?
Vielleicht hatte der gute alte Scrimshaw wesentlich mehr als nur eine kleine Schwäche für Samantha gehabt. Womöglich
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