Mord zur besten Sendezeit
energisch. Er könnte mich für einen verrückten Fan aus Downtown halten. Ich hätte meine Brille tragen sollen. Sie läßt mich aussehen, als ob ich es ernst meinte, oder sagte Alex das nur ironisch?
Der Doorman, ungefähr fünfzig Jahre alt, verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen, aber ich konnte dennoch erkennen, daß sie die grüne Farbe von Gras im Juni hatten. Er riß sie sofort wieder weit auf. Sie sahen genauso tief aus wie meine Geldbörse — nicht besonders tief also, vor allem nicht an Wochenenden. Er trug einen Anzug von Armani und ein graues Seidenhemd. Ich konnte von meiner Stelle aus seine Schuhe nicht erkennen, aber wenn sie seine Füße beengten, so war ihm das nicht anzusehen. Er schürzte leicht die Lippen und berührte seine Nase. Er sah aus wie ein Typ Mann, der auf Titten steht.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte er höflich. Auf dem Goldschildchen vor ihm stand Mick geschrieben. Kein Nachname. Sein Lächeln wirkte etwas schmerzlich.
»Mallory, für Sabrina Delorean«, wiederholte ich. »Ich werde erwartet.«
Er berührte erneut seine Nase und rief aus: »Ach, Sie sind dieses Detektivmädchen, nicht wahr?«
»Frau«, korrigierte ich.
»Detektiv-Frau also«, sagte er. »Sabrina hat mir schon gesagt, daß Sie kommen, damit ich weiß, daß Sie kommen.« Er lächelte. Er steckte die Hände in die Tasche und ließ sich auf den Hacken hin und her schwingen.
»Und da bin ich also«, entgegnete ich hoffnungsvoll.
Er schwankte noch ein bißchen hin und her, die Hände immer noch in den Armanitaschen versenkt. Ich wollte gerade damit anfangen, vor seinen Augen mit den
Fingern zu schnipsen, als er sagte: »Sie machen sich Sorgen um Sabrina, nicht wahr?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte ich.
»Sie ist heute fast erschossen worden, wissen Sie.« Er machte tztztz, als ob ihn das tief berühre. »Sie hat mächtig, mächtig Ärger.« Vielleicht wußte er etwas. Er könnte ja eine Klatschbase sein. Er starrte mich an und berührte seine Nase.
Ich berührte meine Nase. Entweder zeigte er mir einen Schmuddelflecken, oder das hier war ein bizarres Nachstellen gewisser humoristischer Filmszenen. »Wirklich?« hakte ich wie nebenbei nach. »Was für Ärger denn?«
Der Doorman lachte breit. Dann lächelte er mich an, und seine grünen Augen wurden dabei feucht. »Nichts, womit Sie nicht klar kommen würden, Frau Detektivin. Es ist das Penthouse, der Aufzug zu Ihrer Linken.« Er zeigte mir die Richtung, und ich folgte dem roten Läufer, der auf eine Reihe von Aufzügen zulief. Ich würde Sabrina ganz bestimmt nach Mick fragen.
Der oberste Knopf war mit P bezeichnet. Ich ging davon aus, daß das Penthouse heißen sollte. Die rasche Fahrt nach oben ließ es mir ein bißchen schlecht werden. Ich war gerade damit beschäftigt, mein Haar vor den gespiegelten Türen des Lifts hochzuzupfen, als sie sich öffneten — direkt in Sabrinas Wohnung. Das erste, was ich sah: Sabrina und Lola Lipsansky, die auf dem Bärenfellteppich im Wohnzimmer saßen. Sabrina flocht gerade Lolas Haare. Lola sah mich, sprang auf die Füße und lief zu mir. Als sie dicht genug herangekommen war, lehnte sie sich an mich und küßte mich auf die Wange. Dabei flüsterte sie mir ins Ohr: »Benimm dich normal. Wenn du hier Scheiße baust, bist du totes Fleisch.«
Ich berührte meine Wange. »Du hast mich geküßt«, sagte ich. Lola hatte mich noch nie zuvor geküßt — ihre gelegentlichen Anfälle von Zuneigung hob sie sich für Fremde in der U-Bahn auf. Lola lächelte mich falsch an. Ich wandte mich Sabrina zu.
Sie kämpfte gerade damit, aufzustehen, und sah aus wie eine rothaarige Giraffe. Ich war nicht darauf vorbereitet, wie groß Sabrina in Wirklichkeit war. Meine Stirn reichte ihr gerade ans Schlüsselbein. Meine Brüste waren auf der Höhe ihrer Taille. Ich fühlte mich einen schrecklichen Moment lang klein und alt und war vollkommen aus der Fassung gebracht von ihrer strahlenden Schönheit. Sabrina sagte: »Danke, daß du gekommen bist«, und streckte mir ihre Hand entgegen. Sie war erstaunlich ruhig, wenn man die gerade vergangenen Ereignisse bedenkt. Sie trug immer noch dieselben Sachen, die sie während der Show angehabt hatte, außer den Schuhen. Auf ihrer Schulter war ein bräunlicher Fleck.
Es war merkwürdig, Sabrina in drei Dimensionen zu sehen. Der Unterschied lag wohl in der Tiefenschärfe.
Es folgte ein ungemütlicher Moment, ehe ich bemerkte, daß ich mit dem Reden dran war. »Das ist ja
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