Mord
haben, als er noch bei den Eltern wohnte, dass die beiden da im Keller waren, aber das hatten sie perfekt getarnt, meistens mit Arbeit.
Nun, wo er allein bei der Mutter lebte und sie bisweilen zum Grab des Vaters begleitete, brachte er den Schallschutz an und baute alles andere ein, so nach und nach, ein jahrelanges Hobby. Immer wieder ging er in den Keller, erst für den Ausbau, später schrieb er dort seine Phantasiegeschichten und heftete sie sorgfältig in den Ordnern ab. Er zog sich Frauensachen an und fesselte sich selbst mit Draht, betrachtete sich so im Spiegel. Seine Mutter kam nie mehr runter, doch sie musste ahnen, was er da unten tat. Sie sagte aber kein Wort, sondern bat ihn nur, er möge ihr eine Klingelleitung legen von der Küche in den Keller, denn sonst höre er sie nie, wenn sie ihn zum Abendbrot rief. Er legte ihr die Leitung, und wenn sie klingelte, wusch er sich die Hände in dem kleinen Bad, das er im Keller angelegt hatte, zog sich ordentlich an, ging hoch und setzte sich an den Abendbrottisch. Man lebte in ordentlichen Verhältnissen, gutes Betragen, Sauberkeit und Ordnung, keine Extravaganzen. Du könntest mal wieder zum Friseur gehen, sagte die Mutter, wenn ihm eine Strähne vor die Augen fiel.
Allerdings, auch wenn die Mutter es so recht nicht wahrhaben wollte, sie konnte es keine Minute vergessen: Ihr treuer und eigentlich doch recht ordentlicher Sohn war ein Straftäter, hatte mehrmals gesessen. Insofern war es auch besser, er ging in den Keller, als dass er sich draußen rumtrieb. Mit 14 Jahren war Gerd zu 15 Monaten Jugendhaus verurteilt worden, weil er ein gleichaltriges Mädchen gefesselt und vergewaltigt hatte. Er hatte das einem Mitschüler erzählt, bevor sie zusammen eine 18 -Jährige überfielen. Im Jugendwerkhof führte er sich ordentlich, und auch danach lief es erst mal gut. Er absolvierte erfolgreich eine Schreinerlehre, wenn er auch lieber Förster geworden wäre; er war ein Einzelgänger und zog sich gern in den Wald zurück. Mädchen anzusprechen machte ihm Angst.
Es hatte aber auch vorher schon merkwürdige Zwischenfälle gegeben. So hatte er, als er gerade auf die Schule gekommen war, eines Abends, als er schon längst schlafen sollte, beobachtet, wie der Vater die Mutter an einen Wäschepfahl band und sie dann küsste und anfasste. Als er 13 war, hatte die Mutter ihn in seinem Zimmer erwischt, als er sich mit Drähten selbst gefesselt, den Mund und die Augen verbunden und einen ihrer Büstenhalter angezogen hatte. Der Vater hatte gesagt, dass man für solche Sachen ins Gefängnis käme. Das Schlafzimmer der Eltern war immer abgeschlossen, auch tagsüber.
Nach der Entlassung aus dem Jugendhaus lief eine Weile alles gut, Gerd Fuhrmann besuchte eine Fachschule, und mit einer Mitschülerin hatte er zum ersten Mal richtigen Sex. Sie wurde seine Freundin, und er konnte sie schließlich überreden, sich von ihm fesseln zu lassen; auch sich selbst ließ er fesseln. Nach Abschluss der Ausbildung zog sie weg nach Görlitz, das war die Trennung. Er fand aber eine neue Freundin, auch mit der lief es wieder ganz gut, auch sie war tolerant gegenüber Handschellen und Stricken, Halstüchern, warum nicht, zur Abwechslung. Aber sie trennte sich von ihm – ein anderer junger Mann war nicht so maulfaul, nicht so einsiedlerisch, war unternehmungslustiger, ja überhaupt fröhlicher als Gerd, der abends meist ohne Licht auf der Klappcouch saß und dessen ausdrucksloses Gesicht nur von den blaustichigen Farben des Fernsehers beleuchtet wurde.
Wenige Monate später begann in Leipzig eine Serie von zehn Vergewaltigungen, sehr gleichförmig, alle in der gleichen Vorstadtregion, alle gingen mit Fesselung und Knebelung des Opfers einher, wobei der Knebel gelöst wurde, wenn das Opfer Luftnot bekam. Nach einem Jahr fand der 20 -jährige Gerd Fuhrmann eine neue Freundin, die Vergewaltigungsserie endete zunächst. Aber nach einem halben Jahr beging er die elfte Tat und wurde diesmal gefasst. Gegenüber den Gutachtern ließ er wenig heraus über seine sexuellen Phantasien, er wurde als weitgehend normaler Vergewaltiger eingestuft und bekam eine Gefängnisstrafe von 10 Jahren.
Während Gerd diese in Bautzen verbüßte, besorgte ihm seine Mutter zur Rückfallprophylaxe über eine Annonce eine künftige Ehefrau. Sie hatte mehrere Frauen kontaktiert, Gerd konnte ein bisschen aussuchen; und als er rauskam, entwickelte sich zu einer dieser Damen tatsächlich eine Partnerschaft. Mit 32 Jahren
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