Mord
zwischen der Inszenierung eines scheinbar friedlichen Ehelebens und der täglichen Durchführung von sadomasochistischen Praktiken im Keller. Mehrfach erzählte er, dass er Mitglied einer Sklavenhändlerbande sei. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte; er hatte ja am Anfang mit jemand am Handy telefoniert, und vielleicht war auch der andere Mann auf dem Feld ein Komplize gewesen. Aber es tauchte nie jemand anderes auf. Dafür ging der Meister jetzt immer größere Risiken ein.
Einmal ging er abends mit ihr draußen spazieren, um den Block, zusammen mit dem Hund. Da war sie schon vier Wochen in seiner Gewalt. Unterwegs begegnete ihnen ein Mann; Iris bekam einen trockenen Mund, ihre Gedanken rasten, ist das eine Falle, ein Test? Ehe sie sich entschieden hatte, war der Mann an ihnen vorbei, und sie waren wieder an der Gartenpforte. Der Meister verlor kein Wort über den Vorfall. Danach saßen sie in der Küche, und er wirkte niedergeschlagen. Er erzählte, dass seine Mutter im Krankenhaus lag und nicht mehr sprechen konnte. Alles, was er sagte, klang so, als erwarte er keine Antwort. Er sah sie auch nicht an. Aber seine täglichen sexuellen Aktivitäten ließen nicht nach, sie wirkten verbissen, freudlos, seine verschwitzten Haare, sein starres Gesicht, der Blick immer auf ihren nackten Körper, nie in ihr Gesicht. Sie war nun schon sechs Wochen seine Gefangene, dachte an ihre Mutter und an ihren Vater und an deren Verzweiflung: In einem zivilisierten Land, in einer Großstadt wie vom Erdboden verschluckt – konnte das überhaupt geschehen, konnte man sie finden? Sie hatte noch nie von so einem Fall gehört.
Fuhrmann wollte seine Gefangene nicht töten. Er hatte nie sexuelle Tötungsphantasien gehabt, schon gar nicht gegen seine jetzige Sklavin, die immer realer, immer menschlicher wurde. Eigentlich mochte er sie gut leiden, sie wäre eine ansehnliche Ehefrau gewesen, aber er war jemand, der nie eine solche Ehefrau bekommen hätte. Nach der Zeit in der Psychiatrie hatte er jahrelang eine Freundin gehabt, Edith. Sie waren gleichaltrig und lebten einige Jahre zusammen, sie hatten Sex miteinander, auch ab und zu Fesseln, aber richtig nahe kamen sie sich nicht. Sie akzeptierten, dass sie beide es schwer hatten mit dem Glücklichsein, aber irgendwann hielten sie einander nicht mehr aus, die Freudlosigkeit, die Entfernung.
Ganz eigenartig wiederholte sich dies nun in der Beziehung zu seiner Geisel, seiner Sklavin, seiner Iris. Am Anfang hatte er wirklich triumphiert, er war stolz, wie ihm die Aktion geglückt war, perfekt, großartig, auch bei der Begegnung mit dem Mann, der zufällig seinen Weg kreuzte. Sein vorgetäuschtes Telefonat, das war eine gute Idee, sie sollte wissen, dass sie keine Chance hätte bei einem Versuch, seine Pläne zu durchkreuzen. Es gab keine Bande, es gab niemanden, der sein Geheimnis kannte. Und wie sie da gefügig im Keller gesessen hatte – sanft und schön, richtig schön, auch nackt, eine Frau, wie er sie nie bekommen hätte, und jetzt war sie sein. Als er am ersten Abend im Bett lag, vibrierte er immer noch vor Anspannung und Stolz, es war, als schwebe er über dem Bettlaken, er konnte lange nicht einschlafen.
Aber dann verging die Zeit, und das Erleben wurde schal. Nach einigen Tagen fing alles an, sich zu wiederholen, der Sex funktionierte weiter, er konnte sich immer wieder erregen, aber das Glück des Erfolgs schlich sich davon, der Triumph verblasste. Er war Tag für Tag zu Hause, nur ab und zu ging er einkaufen und andere notwendige Dinge erledigen, und mit dem Hund ging er natürlich regelmäßig raus. Wenn er aus dem Haus ging, war die Frau stets im Kellerverlies und gefesselt. Er war wegen Rückenproblemen schon mehr als ein Jahr krankgeschrieben, hatte sich am Arbeitsplatz auch nicht wohlgefühlt, im Kollegenkreis war er ein Außenseiter geblieben. Zu Hause hatte die Mutter das Regiment geführt, jetzt war er der Hausherr, aber er wurde kein richtiger Meister, so wie er sich das vorstellte, und die junge Frau im Keller wurde keine richtige Sklavin. Sie blieb fremd, fern, sie unterwarf sich, aber sie gab ihm nichts von sich selbst, nur das, was er erzwingen konnte. Sie leistete keinen Widerstand, ließ ihn ins Leere laufen.
Fuhrmann war durchaus klar, dass die Frau verzweifelt und unglücklich war. Er bot ihr an, eine weitere Frau gefangen zu nehmen, damit sie Gesellschaft hatte. Aufgeregt wehrte Iris das ab, sie wollte nicht, dass einer weiteren Frau so etwas
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