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Morddeutung: Roman (German Edition)

Morddeutung: Roman (German Edition)

Titel: Morddeutung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jed Rubenfeld
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sie einander kaum noch hören konnten.
    »Ich dachte, ich schneide ihn ab«, brüllte Younger.
    »Wen?« Das Wasser ging Littlemore inzwischen bis an die Knie und sprudelte immer höher.
    »Meinen Fuß.« Ohne den Blick von Littlemores Messer zu nehmen, fügte der Arzt hinzu: »Umbringen könnte ich mich wenigstens damit. Besser als ertrinken.«
    »Geben Sie das her.« Der Detective riss Younger das Taschenmesser aus der Hand. Das steigende Wasser war inzwischen nur noch eine Handbreit vom unteren Rand des Fensters entfernt. »Der Atemschlauch. Nehmen Sie ihn in den Mund.«
    »Ach so, gute Idee.« Younger steckte sich den Schlauch wieder zwischen die Lippen. Doch er zog ihn sofort wieder weg. »Das musste ja so kommen. Sie haben auch die Luft abgedreht.«
    Littlemore schnappte sich einen anderen Schlauch und probierte ihn aus. Das Ergebnis war das gleiche.
    »Nun, Detective.« Younger stützte sich auf die Ellbogen. »Ich glaube, es wird allmählich Zeit, dass Sie …«
    »Halten Sie den Mund. Sparen Sie sich Ihre Worte. Ich gehe nirgends hin.«
    »Seien Sie kein Narr. Nehmen Sie den Schrankkoffer und sehen Sie zu, dass Sie zum Aufzug kommen.«
    »Ich gehe nirgends hin«, wiederholte Littlemore.
    Younger packte Littlemore am Hemd, zog ihn zu sich heran und zischte ihm grimmig ins Ohr: »Nora, ich hab sie im Stich gelassen. Ich hab ihr nicht geglaubt und sie im Stich gelassen. Und jetzt werden sie sie in eine Anstalt sperren. Hören Sie mich? Sie werden sie wegschaffen – entweder das, oder Banwell bringt sie um.«
    »Doc …«
    »Nennen Sie mich nicht Doc. Sie müssen sie retten. Hören Sie mir zu. Ich kann sterben. Sie haben mich nicht gezwungen, mit Ihnen hier runterzufahren. Ich wollte Beweise sehen. Sie sind jetzt der Einzige, der ihr glaubt. Sie müssen hier rauskommen. Sie müssen . Und sagen Sie ihr … ach, ist sowieso egal. Aber machen Sie endlich, dass Sie wegkommen!«
    Younger stieß Littlemore so heftig von sich, dass der Detective zurücktaumelte und ins Wasser fiel. Als er wieder auf die Beine kam, schwappte das steigende Wasser bereits über die Fensterkante. Nach einem langen Blick auf den Arzt wandte sich Littlemore ab und stapfte, so gut es ging, durch das schenkelhohe Wasser davon. Er verschwand hinter dem Katarakt.
    »Sie haben den Koffer vergessen!«, schrie ihm Younger nach, doch der Detective schien ihn nicht zu hören. Die Flut stand jetzt schon auf halber Höhe des Fensters. Mit größter Anstrengung gelang es Younger gerade noch, den Kopf einige Zentimeter über dem Wasser halten. Dann tauchte Littlemore plötzlich wieder auf. In den Armen hielt er ein eineinhalb Meter langes Bleirohr und einen Felsbrocken.
    »Littlemore«, rief Younger, »hauen Sie ab!«
    »Schon mal was von Archimedes gehört?«, antwortete der Detective. »Hebelkraft.«
    Platschend watete er zu Younger und ließ den Felsbrocken in das Fenster plumpsen, das inzwischen fast randvoll war. Kopf voraus ins Wasser tauchend, stemmte Littlemore ein Ende seines Rohrs direkt neben Youngers eingeklemmtem Knöchel unter die Außenluke und setzte die restliche Länge des Rohrs nach Hebelart über den Brocken. Dann wuchtete er mit beiden Händen das freie Ende des Rohrs nach unten. Leider erreichte er damit nur, dass der Brocken unter dem Rohr herausgeschleudert wurde. Littlemore tauchte aus dem Wasser auf. »Verdammt.«
    Youngers Augen waren noch über dem Wasser, aber sein Mund nicht. Auch seine Nase nicht. Er sah Littlemore mit hochgezogener Braue an.
    »O Mann.« Der Detective holte tief Atem und stürzte sich wieder hinein. Nachdem er den Brocken und das Rohr erneut in Position gebracht hatte, drückte er das Rohr mit aller Kraft nach unten. Diesmal blieb der Stein liegen, aber noch immer bewegte sich die Außenluke nicht. Littlemore schnellte sich so hoch aus dem Wasser, wie er konnte, und ließ sich dann mit seinem ganzen Gewicht auf den Hebel fallen. Das Bleirohr war stark verrostet und brach durch die Wucht des Aufpralls in zwei Stücke. Doch im gleichen Augenblick wurde die Außenluke einige Zentimeter nach oben geschoben – und Youngers Fuß kam frei.
    Beide Männer schossen gleichzeitig an die Oberfläche, aber während Littlemore nach Luft schnappte und wild um sich schlug, bewegte sich Younger kaum. Er füllte mit einem Atemzug seine Lunge und sagte: »Das war ziemlich melodramatisch, finden Sie nicht?«
    »Nichts zu danken.« Littlemore richtete sich wieder auf.
    »Wie geht’s Ihrem Bein?«, erkundigte sich der

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