Morddeutung: Roman (German Edition)
war er der Erfinder des Contract Bridge.
Mit dem bevorstehenden September wurde 1909 eine neue Saison eröffnet. Alle waren sich darin einig, dass dieses Jahr die erlesenste Auswahl an Debütantinnen zu erwarten war, die man seit Längerem gesehen hatte. Miss Josephine Crosby, bemerkte die New York Times , war ein besonders hübsches, noch dazu mit einer schönen Singstimme ausgestattetes Mädchen. Die anmutige Miss Mildred Carter war mit ihrem Vater aus London zurückgekehrt, wo sie mit dem König getanzt hatte. Auch Miss Hyde, die Erbin, sollte ihr Debüt geben, ebenso wie Miss Chapin und Miss Rutherford, die zuletzt bei der Hochzeit ihrer Kusine, der früheren Miss White, mit Count Sheer-Toss als deren Brautjungfer zu bewundern gewesen war.
Die Eröffnungsveranstaltung der Saison war ein Wohltätigkeitsball, den Mrs. Stuyvesant Fish am 30. August gab, um Spenden für das neue Kinderkrankenhaus von New York zu sammeln. Es war gerade Mode, Feste in den großen Hotels der Stadt zu geben. Mrs. Fishs Feier fand im Waldorf-Astoria statt.
Das Grandhotel Ecke Fifth Avenue und Thirty-fourth Street stand an der gleichen Stelle, wo vor einem Vierteljahrhundert Mrs. Astor gewohnt hatte, als sie von Mrs. Vanderbilt überflügelt wurde. Im Vergleich zu dem leuchtenden Schloss der Vanderbilts hatte das vornehme alte Stadthaus aus Backstein auf einmal sehr klein und glanzlos gewirkt. Daher ließ Mrs. Astor es ohne viel Federlesens dem Erdboden gleichmachen und sich dreißig Blocks weiter nördlich ein gewaltiges französisches Château erbauen, allerdings nicht im Loire-, sondern im würdevolleren Empire-Stil und mit einem Ballraum für zwölfhundert Gäste. Auf dem frei gewordenen Grundstück errichtete ihr Sohn das größte und luxuriöseste Hotel der Stadt.
Die feine Gesellschaft betrat das Waldorf-Astoria von der Thirty-fourth Street aus durch einen breiten, einhundert Meter langen Korridor, der als Peacock Alley bekannt war. Bei Maskenbällen wurden die Karossen beim Vorfahren von Türstehern in blauen Strümpfen empfangen, und an der Peacock Alley drängten sich Aberhunderte von Zuschauern als plebejisches Publikum für die prächtige Prozession von Reichtum und Ruhm, die ihren Einzug hielt. Der Palm Garden war das vergoldete Restaurant des Hotels. Der hohe Kuppelbau hatte Glaswände, damit die Außenwelt das Geschehen weiter verfolgen konnte, und hohe Spiegel, damit die Damen und Herren des inneren Zirkels noch mehr von sich sahen als die Beobachter von draußen. Für ihre Festlichkeit hatte Mrs. Stuyvesant Fish nicht nur den Palm Garden gemietet, sondern auch noch den Empire Room, den angrenzenden Myrtle Room sowie das gesamte Orchester und das Ensemble der Metropolitan Opera.
Von den Klängen dieser Musik wurde Stratham Younger begrüßt, als er eine halbe Stunde nach dem Aufbruch seiner europäischen Gäste, untergehakt mit seiner Kusine Miss Belva Dula, die Peacock Alley entlangschritt.
Meine Mutter war eine Schermerhorn. Ihre Schwester heiratete einen Fish. Diese beiden majestätischen genealogischen Fakten sorgten dafür, dass ich zu jedem Gesellschaftsball in Manhattan eingeladen wurde.
Dass ich in Worcester, Massachusetts, wohnte, reichte normalerweise als Entschuldigung, um mich diesen Verpflichtungen zu entziehen. Eine Ausnahme musste ich nur bei den Festen meiner extravaganten Aunt Mamie machen – Mrs. Stuyvesant Fish -, die eigentlich gar nicht meine Tante war, aber schon seit meinen Kindheitstagen, als ich die Sommer in ihrem Haus in Newport verbrachte, darauf bestand, dass ich sie so nannte. Nach dem Tod meines Vaters war es Aunt Mamie, die dafür sorgte, dass meine Mutter ihr Auskommen hatte und das Haus in Boston nicht räumen musste, in dem sie während ihrer ganzen Ehe gewohnt hatte. Aus diesem Grund konnte ich nie ablehnen, wenn mich Aunt Mamie zu einer ihrer Galas bat. Dazu kam noch meine Kusine Belva, der ich meine Begleitung auf der Peacock Alley versprochen hatte.
»Was ist das gleich wieder?«, fragte Belva und lauschte der Musik, während wir zwischen den dicht gedrängten Zuschauern durch den endlosen Gang schlenderten.
»Das ist aus Verdis Aida «, antwortete ich. »Und wir sind der Karneval der Tiere.«
Sie deutete auf eine rundliche Frau, die in Begleitung ihres Mannes ein Stück vor uns ging. »Ach, schau mal, die Arthur Scott Burdens. Ich habe Mrs. Burden noch nie in diesem riesigen blutroten Turban gesehen. Vielleicht sollen wir dabei an einen Elefanten
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