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Morddeutung: Roman (German Edition)

Morddeutung: Roman (German Edition)

Titel: Morddeutung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jed Rubenfeld
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weltweit führende Autorität auf diesem Gebiet und hat auch einen Zusammenhang mit hysterischen Traumata nachgewiesen – vor allem mit sexuellen Traumata.«
    »Schade, dass Ihr Dr. Freud in Wien lebt«, meinte der Bürgermeister.

KAPITEL FÜNF
     
    Ich hämmerte an Brills Tür, bis endlich seine Frau Rose erschien. Ich platzte fast und wollte ihnen nicht nur berichten, dass ich Freuds erste Behandlung in Amerika arrangiert hatte, sondern auch, dass unten ein eigens vom Bürgermeister geschickter Chauffeur mit seinem Wagen wartete, um Freud zu der Patientin zu bringen. Doch beim Betreten der Wohnung war der Eindruck von guter Laune und Geselligkeit so stark, dass ich es einfach nicht über mich brachte, die Runde so unvermittelt aufzuscheuchen.
    Brills Wohnung lag in der vierten Etage eines fünfstöckigen Mietshauses am Central Park West. Und sie war winzig – nur drei Zimmer, von denen jedes kleiner war als mein Raum im Hotel Manhattan. Aber sie bot einen direkten Blick auf den Park, und fast jeder Zentimeter war mit Büchern vollgestellt. Ein anheimelnder Geruch nach gebratenen Zwiebeln lag in der Luft.
    Jung war ebenso da wie Brill, Ferenczi und Freud, und sie alle drängten sich um einen kleinen Esstisch mitten im Hauptraum, der zugleich als Küche, Esszimmer und Wohnzimmer diente. Brill rief mir entgegen, dass ich mich setzen und unbedingt ein Stück von Roses hervorragender Rinderbrust probieren sollte. Bevor ich antworten konnte, wurde mir schon ein Glas Wein eingeschenkt. Brill und Ferenczi demonstrierten gerade, wie sie von Freud analysiert wurden, wobei Brill die Rolle des Meisters übernommen hatte. Alle lachten, selbst Jung, dessen Blick öfter etwas länger auf Brills Frau verweilte, wie mir auffiel.
    »Aber meine Freunde«, warf Freud ein, »das beantwortet nicht die Frage: warum Amerika?«
    Brill setzte mich ins Bild. »Es geht um Folgendes, Younger. In Europa ist die Psychoanalyse überall exkommuniziert. Und ausgerechnet hier, im puritanischen Amerika soll Freud sein erstes Ehrendiplom bekommen und Vorlesungen an einer angesehenen Universität halten. Wie kann das sein?«
    »Jung meint«, fügte Ferenczi hinzu, »weil Amerikaner nicht verstehen Freuds Sexualtheorien. Wenn ihr versteht, dann ihr werdet Psychoanalyse fallen lassen wie heißes Eisen.«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach ich. »Ich denke, sie wird sich verbreiten wie ein Lauffeuer.«
    »Und warum?«, wollte Jung wissen.
    »Gerade wegen unseres Puritanismus. Aber ich muss Ihnen was …«
    »Das ist Gegenteil«, wandte Ferenczi ein. »Eine puritanische Gesellschaft wird uns verbieten.«
    »Sie wird euch verbieten.« Jung lachte laut auf. »Sobald sie herausgefunden hat, was wir sagen.«
    »Amerika soll puritanisch sein?« Brill schüttelte den Kopf. »Da ist der Teufel noch puritanischer.«
    »Jetzt seid mal alle still«, mischte sich Rose Brill ein, eine dunkelhaarige Frau mit festem, geradlinigem Blick. »Lasst doch mal Dr. Younger erklären, was er gemeint hat.«
    »Nein, wartet«, bemerkte Freud. »Younger will was ganz anderes sagen. Was ist los, mein Junge?«

     
    So schnell es ging, polterten wir die vier Stockwerke hinunter. Je mehr er von der Sache hörte, desto interessierter zeigte sich Freud, und als er von der persönlichen Beteiligung des Bürgermeisters erfuhr, war er trotz der späten Stunde genauso gespannt wie ich darauf, in die Innenstadt zu gelangen. Da der Wagen vier Plätze hatte, entschied Freud, dass Ferenczi uns begleiten sollte. Zunächst hatte Freud Jung aufgefordert, doch der wirkte sonderbar gleichgültig und lehnte ab. Er war nicht einmal mit nach unten gekommen.
    Kurz bevor wir losfuhren, sagte Brill: »Dass Jung hierbleibt, gefällt mir nicht. Ich hol ihn lieber runter. Ihr könnt doch ein bisschen zusammenrücken und ihn beim Hotel absetzen.«
    »Abraham«, entgegnete Freud mit überraschender Strenge, »ich habe Ihnen schon wiederholt meine Meinung dazu gesagt. Sie müssen endlich Ihre Abneigung gegen Jung überwinden. Er ist wichtiger als wir anderen zusammen.«
    »Meine Güte, das habe ich doch nicht gemeint«, protestierte Brill. »Schließlich habe ich dem Mann gerade in meinen vier Wänden ein Essen serviert. Ich rede von seinem Zustand .«
    »Was für ein Zustand?«
    »Irgendwas stimmt da nicht. Er ist rot im Gesicht und so erregt. Erst ist ihm heiß, dann plötzlich wieder kalt. Das muss Ihnen doch aufgefallen sein. Teilweise redet er völligen Unsinn.«
    »Er hat Wein getrunken.«
    »Das

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