Mordkommission
richten. Natürlich können auch Beziehungen
zwischen Frauen im Eifersuchtsdrama enden. Hier aber war eine Frau als Täterin sehr unwahrscheinlich, da die Tat über einen
Zeitraum von mehreren Minuten erfolgt sein musste und dazu eine ganz erhebliche Kraftanstrengung erforderlich gewesen war.
Der Erkennungsdienst hatte gute Arbeit geleistet und an tatrelevanten Stellen Blutspuren gesichert, die nicht vom Opfer stammten.
Der Täter musste sich bei der Messerattacke also selbst verletzt haben und damit hatten wir sein DN A-Muster . Jetzt galt es, die Personen aus dem Umfeld von Bian V. zur Abgabe einer Speichelprobe zu veranlassen, womöglich fand sich
unter ihnen der Täter. Das geschah in den nächsten Tagen – doch der erhoffte Treffer stellte sich leider nicht ein.
Die Medien berichteten in den folgenden Tagen immer wieder in großer Aufmachung über den Fall; das Foto des Opfers beherrschte
die Titelseiten. Nach und nach ergaben unsere Ermittlungen das Bild einer jungen, von allen geschätzten und verehrten Frau,
die als außergewöhnlich fleißig |132| und tüchtig beschrieben wurde. Sie wurde von Männern umschwärmt und hofiert, ohne dass jedoch einer ihre Gunst erlangen konnte.
Die Männer, die sie besuchten, nahmen sie gern als Begleiterin zu irgendwelchen offiziellen Anlässen mit, um sich mit ihrer
außergewöhnlichen Schönheit und ihrer anmutigen und höflichen Art zu schmücken; niemandem schien es hingegen gelungen zu sein,
mehr als nur ihre Begleitung zu erlangen. Als Dank akzeptierte sie kleine Geschenke, die ihr reichlich zuflossen. Wir fanden
keinen einzigen Mann, den sie gekränkt oder verletzt hatte, sodass es scheinbar niemanden gab, der einen Grund für diese grauenhafte
Tat gehabt haben konnte. Allerdings erfuhren wir, dass Bian V. sehr sparsam gelebt und wohl öfters ansehnliche Bargeldbeträge
zu Hause verwahrt hatte, mit denen sie in unregelmäßigen Abständen ihre Familie in Vietnam unterstützt hatte. War ihr das
zum Verhängnis geworden? Zumindest fand sich kein nennenswerter Geldbetrag in ihrer Wohnung.
Schließlich ermittelten wir einen Bekannten von Bian V., der uns berichtete, dass er einmal mit ihr ein vietnamesisches Restaurant
im Münchner Norden besucht hatte. In dem Lokal sei ein Landsmann seiner Begleiterin an ihren Tisch getreten und dabei sei
es zu einem Wortwechsel auf Vietnamesisch gekommen, der sich für ihn irgendwie bedrohlich angehört habe. Allerdings habe er
den Sinn der Worte nicht erfassen können. Als er sich anschließend erkundigt habe, worum es denn bei dem Gespräch gegangen
sei und ob sie Ärger habe, habe Bian nur mit den Schultern gezuckt und sei auf seine Frage nicht näher eingegangen. Dieser
Vorfall hatte sich allerdings bereits mehrere Monate vor der Tat ereignet.
Wir suchten daraufhin das Lokal auf. Der Wirt hatte vom Tod der Vietnamesin angeblich nur aus der Zeitung erfahren. Da mir
sein Verhalten eigenartig erschien, hakte ich nach. In einem Nebenzimmer fand ich in einem Vieraugengespräch heraus, dass
er die Tote sehr wohl gekannt hatte und dass sie auch wiederholt zu Gast bei ihm gewesen war. |133| Aus Angst davor, »jetzt in irgendwas reingezogen« zu werden, hatte er behauptet, sie nicht zu kennen. Nun fasste ich nach.
Gab es etwas, das er uns verheimlichte, das uns aber vielleicht weiterbringen könnte? Nach zähem Hin und Her gab der Wirt
schließlich zu, dass er sich ganz vage an die kleine verbale Auseinandersetzung zwischen Bian V. und einem anderen Gast, ebenfalls
einem Vietnamesen, erinnern könne. Wer denn dieser andere Gast gewesen sei, wollte ich wissen, und wo man ihn finden könne.
Das könne er nicht sagen, er kenne diesen so gut wie gar nicht, wahrscheinlich sei er auch nur dieses eine Mal bei ihm zu
Besuch gewesen, wenn er sich richtig erinnere …
Ich ließ nicht locker. Der unstete Augenausdruck, überhaupt die gesamte Körpersprache meines Gegenübers strafte seine Worte
Lügen. Erst nach einer längeren und sehr intensiven Belehrung über mögliche strafrechtliche Folgen für den Fall, dass er uns
etwas vorenthalte, konnte sich der Wirt plötzlich doch wieder erinnern, dass er – natürlich rein zufällig – einmal an der
Wohnung dieses Gastes vorbeigekommen sei. Er kenne zwar weder den Namen des Gastes noch seine Adresse, könne aber versuchen,
aus dem Gedächtnis den Weg zu ihm zurückzuverfolgen. In mir erwachte das Jagdfieber. War dies die lang
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