Mordkommission
»zugehörigen« Person los, da
Speichelproben ja ohne namentliche Kennzeichnung untersucht werden. Jede Person erhält eine eigene Codierung, die Echtpersonalien
werden separat bei der Polizei verwahrt. Als endlich ein Kollege beim Durchblättern den entsprechenden Code gefunden hatte
und uns dies mit dem lauten Ruf: »Ich hab ihn!« mitteilte, herrschte für einen Augenblick atemlose Stille. Der Verursacher
der Blutspuren in der Tatwohnung und damit ohne jeden Zweifel auch der Mörder war: der Wirt aus der indonesischen Gaststätte
in Altschwabing!
War es wirklich nur Zufall, dass der Zeuge, der behauptet hatte, seinen besten Freund nicht zu kennen, uns persönlich zu dessen
Wohnung lotste und dabei, als ein Lastwagen den Weg versperrte, auf das indonesische Lokal aufmerksam |136| machte? Bei dem Gedanken, dass der mutmaßliche Mörder, als die Kollegen vor ihm standen, ein großes Fleischermesser in seinen
Händen gehalten hatte, beschlich mich nachträglich ein beklemmendes Gefühl. Hatte der Mann die möglichen Konsequenzen einer
Speichelprobe nicht gekannt oder nicht bedacht? Und das, obwohl man ihm erklärt hatte, wozu eine Speichelprobe benötigt wird?
Ich mochte mir nicht weiter ausmalen, was geschehen hätte können. Der mutmaßliche Täter hatte schließlich bereits auf grausamste
Art gezeigt, was er mit einem Messer anzurichten in der Lage war!
Nun aber würden wir kein Risiko mehr eingehen. Ich informierte sofort die Staatsanwaltschaft von der überraschenden Wende
in dem Fall. Kollegen trugen alle Informationen über den Wirt des indonesischen Lokals zusammen, derer sie habhaft werden
konnten. Über die Staatsanwaltschaft erwirkten wir einen Haftbefehl gegen den nun dringend Tatverdächtigen. Kurz darauf ersuchten
wir Beamte eines Spezialeinsatzkommandos um seine Festnahme. Er wurde noch am selben Nachmittag vor seiner Gaststätte überwältigt,
als er gerade sein Lokal aufsperren wollte. Auffällig war, dass quer über seine rechte Handfläche eine breite Narbe verlief,
die er sich während der Tat zugezogen haben konnte. Womöglich war er mit dem Messer abgerutscht.
Bei der anschließenden Vernehmung leugnete der Mann trotz der erdrückenden Beweislast beharrlich, etwas mit dem Tod seiner
Landsmännin zu tun zu haben. Dennoch eröffnete der Ermittlungsrichter gegen ihn den Haftbefehl wegen dringenden Mordverdachts.
Tage später, nachdem sein Rechtsanwalt ihn beraten und ihm erklärt hatte, dass die Blutspuren am Tatort eindeutig seine Täterschaft
bewiesen, änderte der Beschuldigte sein Verhalten. Bei einer weiteren Vernehmung gestand er die Tat mit all ihren erschreckenden
Einzelheiten. Wie sich zeigte, war er ein notorischer Glücksspieler und hoch verschuldet. Am Tag des Mordes hatte er in den
Morgenstunden sein letztes Geld verspielt und konnte so nicht einmal mehr die Lebensmittel |137| kaufen, die er am Abend für sein Lokal benötigte. So entschloss er sich, Bian V. in ihrer Wohnung aufzusuchen und sie um ein
Darlehen zu bitten. Er kannte sie von einer gemeinsamen früheren Arbeitsstelle her und wusste, dass die sparsame Frau immer
einen größeren Bargeldbetrag zu Hause verwahrte.
Bian V. habe seine Bitte um ein Darlehen sehr herablassend und beleidigend zurückgewiesen, wodurch er sich in seiner Ehre
gekränkt gefühlt habe. Er habe sich deshalb spontan entschlossen, seine Ehre wiederherzustellen. Dazu sah er nach seiner Darstellung
nur eine Möglichkeit: Er musste sie töten!
Gegen die urplötzlichen Attacken hatte die völlig arglose Frau nicht die geringste Chance. Bei den ersten Stichen hatte Bian
V. noch versucht, davonzulaufen. Doch in der kleinen Wohnung gab es kein Entrinnen. Wie besessen stach der Angreifer wieder
und wieder auf die Wehrlose ein, bis er Minuten später schließlich so erschöpft war, dass er den Arm mit dem Messer nicht
mehr heben konnte. Erst jetzt ließ er von seinem blutüberströmten Opfer ab. Obwohl er uns bei seiner Vernehmung glauben machen
wollte, dass seine verletzte Ehre der einzige und wahre Grund für seine Tat gewesen sei, war er nach dem schrecklichen Gemetzel
doch besonnen genug, die Wohnung gründlich nach Wertsachen und Bargeld zu durchsuchen. Er fand verschiedene Schmuckstücke
und vermutlich mehr als zehntausend Euro Bargeld. Er nahm das Geld, die Schmuckstücke und das Handy des Opfers an sich und
verließ unbemerkt von den anderen Hausbewohnern das Anwesen. Einen kleineren
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