Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mordkommission

Titel: Mordkommission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
wir alle drei Bewohner an; leider aber verstanden sie weder Deutsch noch Englisch oder Französisch. Da
     auch unsere griechischen und italienischen Speisekartenkenntnisse nicht wirklich hilfreich gewesen wären, waren unsere Verständigungsmöglichkeiten
     zunächst erschöpft. Da meldete sich aus einer Ecke des Raumes eine Frauenstimme auf Deutsch. Zugedeckt bis zum Kinn lag eine
     blonde Frau in einem der drei Betten und erklärte uns, die drei Herren sprächen leider nur Äthiopisch. Erfreut über die unerwartete
     Hilfe, bat ich die Frau, den Herren doch bitte unser Anliegen zu übersetzen. Da blickte sie mich verwundert an: »Sie glauben
     doch nicht, dass ich Afrikanisch kann!« Mein verblüffter Gesichtsausdruck veranlasste meinen Kollegen, mir zuzuraunen: »Es
     gibt Dinge, bei denen man nicht unbedingt reden muss!« Jetzt war auch bei mir der Groschen gefallen. Ich sah mir die Frau
     näher an und kam zu der Erkenntnis, dass ihre besonderen Fähigkeiten eher gewerblicher denn fremdsprachlicher Natur sein dürften.
     Vielleicht aber war genau das der Grund, warum die drei Herren – die im Übrigen alle nur mit einem Slip bekleidet waren –
     seit Tagen die Wohnung nicht mehr verlassen hatten. Zur Aufklärung unseres Falls konnten die vier aber leider nichts beitragen,
     sie waren wohl zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen.
    Unterdessen war es draußen dunkel geworden. Zur Durchsuchung der Abfallcontainer hatten wir die Feuerwehr um Unterstützung
     gebeten, die mit einem Lichtmast auf einem |128| Gerätewagen den Vorplatz ausleuchtete. Dort kämpften sich – wieder einmal – die Beamten der Einsatzhundertschaft durch Berge
     stinkenden Unrates, wobei sie den Inhalt der Container jeweils separat auf große Plastikplanen entleerten. Irgendwie war ich
     froh, dass meine Dienstzeit bei der Einsatzhundertschaft schon lange hinter mir lag. In einem der Container fanden die Kollegen
     in einer Tüte ein Küchenmesser, das eine Beamtin des Erkennungsdienstes asservierte. Sonst förderte die fast zweistündige
     Durchsuchung nichts zutage, was mit der Tat zusammenhängen konnte. Bemerkenswert erschien allenfalls, dass das Handy der Toten,
     von dem sie sich nach den Aussagen ihrer Arbeitskollegen niemals getrennt hatte, nicht im Abfall lag. Denn in der Wohnung
     – so viel stand mittlerweile fest – war das Handy ebenfalls nicht.
    Währenddessen trafen Freunde und Angehörige der Toten ein. Arbeitskollegen von Bian V. hatten sie informiert. Sie waren in
     Begleitung eines Priesters gekommen und wirkten sichtlich geschockt, als sie darum baten, nach ihrem religiösen Brauch mit
     Räucherstäbchen und Gebeten Abschied von der Toten nehmen zu dürfen, was wir ihnen natürlich ermöglichten.
    Die Befragung von weiteren Nachbarn erbrachte den Hinweis, dass Bian V. häufig Besuch von vornehm gekleideten, sehr distinguiert
     wirkenden älteren Herren erhalten hatte, manchmal an bis zu fünf Tagen in der Woche. Die Herren fuhren allesamt noble Autos,
     die Kennzeichen stammten aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Hatte die hübsche Vietnamesin etwa als Hostess ihr Gehalt
     als Bedienung aufgebessert? Das würde unsere Arbeit auf jeden Fall nicht gerade leichter machen.
    Nachdem die Spurensicherungsarbeiten an der Leiche vor Ort abgeschlossen waren, bestellten wir einen Leichenwagen, um das
     Mordopfer ins Institut für Rechtsmedizin zu überführen. Es ist jedes Mal aufs Neue ein beklemmendes Gefühl, wenn die Bestatter
     in ihren dunklen Anzügen die Bahre mit den sterblichen Überresten eines Opfers vorübertragen, das wenige Stunden zuvor vermutlich
     keinen Gedanken daran verschwendet hat, dass es den nächsten Tag nicht mehr erleben |129| könnte. Vielleicht plant man am Morgen beim Verlassen des Hauses, gemeinsam mit Freunden oder Angehörigen nach der Arbeit
     zum Essen zu gehen; oder man hat gerade erst einen Urlaub gebucht, ein neues Auto bestellt oder die Farbe gekauft, mit der
     man sein Heim am Wochenende renovieren möchte. Man freut sich auf den Besuch der Geliebten oder des Freundes. Man wird endlich
     die längst überfällige Gehaltserhöhung bekommen – und man denkt an tausend andere Dinge in der nahen und fernen Zukunft. Und
     dann ist plötzlich alles vorbei. Unwiederbringlich. Man konnte sich nicht einmal verabschieden, von den Eltern, den Geschwistern,
     den eigenen Kindern oder dem Partner; sich mit niemandem mehr aussöhnen, die letzten Dinge nicht regeln. Mit jeder Bahre,
     die im

Weitere Kostenlose Bücher