Mordkommission
Angeklagte auf eine Ecke der Strandbadumzäunung
und erklärte, dass genau dort das Opfer vergraben lag – eingewickelt in eine Plastikplane. Spätestens jetzt wurde wohl selbst
dem konservativsten Kollegen bewusst, dass auch für die Polizei die moderne Zeit begonnen hat ...
Sofort danach liefen die Drähte zu den zuständigen Polizei- und Justizbehörden heiß und nicht lange danach begann ein Bagger
unter den Augen italienischer Polizei- und Justizbeamter sowie zahlreicher Schaulustiger an besagter Stelle zu graben. Und
tatsächlich stießen sie dort auf die sterblichen Überreste von Günter W. Der Mörder hatte die Leiche mit seinem Wohnmobil nach Italien geschafft, da es ihm nicht gelungen war, sie in Deutschland
zu vergraben. Was an den im strengen Winter steinhart gefrorenen Böden lag. Offensichtlich hatte er davor noch versucht, den
Leichnam im Haus seines Opfers zu zerteilen. So erklärte sich die massive Blutansammlung unter dem Parkettboden. Der Täter
gab dieses Vorhaben dann jedoch wieder auf, da es ihm zu schwierig erschien. Zur Tat selbst wollte er sich nicht näher einlassen;
allerdings gab er zu, zunächst geplant zu haben, das Haus an möglichst viele Interessenten gleichzeitig zu vermieten und die
Kaution und die erste Miete gleich bei Abschluss des Mietvertrages zu kassieren. Die Miete hatte er so niedrig angesetzt,
um möglichst schnell an möglichst viel Geld zu gelangen. Diesen Plan hatte er jedoch wieder verworfen, allerdings erst, nachdem
er im Hinblick auf Mietinteressenten schon alle Spuren des Mordes verwischt hatte ...
Dass der Mörder das Versteck der Leiche schließlich doch preisgegeben hat, obwohl ihm klar sein musste, dass er damit erdrückende
Beweise gegen sich liefern würde, ist möglicherweise dem Umstand zu verdanken, dass der Täter |181| den Angehörigen die Ungewissheit über das Schicksal von Günter W. nehmen wollte. Wir hatten immer wieder mit dem Beschuldigten
darüber gesprochen, dass es für Angehörige unsägliches zusätzliches Leid bedeutet, wenn sie keine Stätte der Trauer besitzen,
an der sie von ihren Lieben Abschied nehmen und an der sie ihnen wenigstens im Tod nahe sein können. Dem Gericht blieb dennoch
angesichts der Beweislage und der Vorstrafen keine andere Wahl, als den Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen und dabei
auf die besondere Schwere der Schuld zu erkennen. Außerdem wurde gegen ihn Sicherungsverwahrung verfügt, da er trotz seiner
erheblichen Vorstrafen erneut ein Kapitalverbrechen verübt hatte.
Warum er ausgerechnet das an sich völlig wertlose Radio geraubt und zudem auch noch das abgeschnittene Kabelende aufbewahrt
hatte, konnte der Täter nicht plausibel erklären. Er hatte wohl vermutet, dass das Radio als Antiquität besonders wertvoll
sei, musste dann aber im Internet feststellen, dass vergleichbare Geräte für maximal 20 € gehandelt wurden.
|182| Eine ereignisreiche Bereitschaftswoche
Sonntag, 21.15 Uhr, mein Bereitschaftshandy begann zu vibrieren. Das durfte doch nicht wahr sein, nicht schon wieder! Seit Mittwochvormittag
waren meine beiden Kollegen und ich mit nur kurzen Unterbrechungen im Einsatz gewesen.
Die Serie begann mit einer Geiselnahme. Wie bereits erwähnt, gehören Geiselnahmen, wie auch Entführung, erpresserischer Menschenraub
oder sogenannte Amoklagen, zum Aufgabenbereich der Mordkommission. Während einer Gerichtsverhandlung hatte der Angeklagte
seine Dolmetscherin mit einem langen Nagel, den er unbemerkt in den Gerichtssaal geschmuggelt hatte, in seine Gewalt gebracht.
Die Situation konnte Gott sei Dank durch das beherzte und umsichtige Eingreifen zweier Justizwachtmeister unblutig beendet
werden; auch ein im Gerichtssaal anwesender Rechtsanwalt half bei der Entwaffnung des Täters kräftig mit.
Die Vernehmungen und der übliche Papierkrieg beschäftigten uns trotz des schnellen, unblutigen Ausgangs der Geiselnahme bis
in die tiefen Nachtstunden und nahmen uns auch am darauffolgenden Tag noch bis weit über den regulären Feierabend hinaus in
Anspruch. Als ich mich schließlich von meinen beiden Kollegen verabschiedete, war es fast Mitternacht.
Der Freitag verlief zunächst ohne weitere Besonderheiten. Als ich mich am Nachmittag von meinen Kollegen verabschiedete, sagte
ich scherzhaft beim Gehen »Bis nachher!«. Knapp sieben Stunden später sollte sich das allerdings als zutreffend erweisen.
Kurz nach 22 Uhr trafen wir uns
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