Mordkommission
München gelandet war, machte sich Axel S. mit einem Taxi eilends auf den Heimweg. Er befürchtete, dass
seine Frau womöglich entführt worden war, und bat den Taxifahrer darum, ihn in das Haus zu begleiten, um nach dem Rechten
zu sehen. Dabei fand der Ehemann zu seinem maßlosen Entsetzen die Leiche von Bettina S. im Schlafzimmer.
Angehörige des Kriseninterventionsteams betreuten Axel S., außerdem hatte sich ein Arbeitskollege eingefunden, der ihm ebenfalls
Beistand leistete. Behutsam erkundigte ich mich, ob er in der Lage wäre, mir ein paar Fragen zu beantworten. Vor allem interessierte
uns brennend, ob Axel S. den Täter, der sich ja selbst bezichtigt hatte, für den Tod der Frau verantwortlich zu sein, kannte.
Dies war nicht der Fall. Es gab auch nicht den geringsten Anlass für die Vermutung, dass seine tote Frau ihren Mörder gekannt
haben könnte. Nichts, absolut nichts war bei seinem Abflug heute Morgen irgendwie ungewöhnlich gewesen. Seine Frau wollte
wie jeden Tag ins Büro fahren und den Abend wollten beide wie üblich gemeinsam zu Hause verbringen.
Das beruflich sehr erfolgreiche und beliebte Ehepaar lebte zurückgezogen und mit sich und der Welt im Einklang. Es gab keine
Feinde, keine zurückgewiesenen Verehrer, keine Schulden – und keinerlei Bezug zur Welt des Täters, eines vielfach vorbestraften
Mannes, der in einem sozial auffälligen Umfeld lebte. In Absprache mit dem Ehemann veranlassten wir, dass die Eltern des Opfers
verständigt wurden. Die zuständigen Kollegen kamen dieser schweren Aufgabe in Begleitung von Angehörigen des Kriseninterventionsteams
nach. Ich mochte gar nicht daran denken, wie schrecklich diese Nachricht auf die Eltern wirken musste. Was gibt es Schlimmeres
für Eltern, als die tiefe Verzweiflung und die Hilflosigkeit bei einem so sinnlosen und zugleich so schrecklichen Tod eines
geliebten Kindes ertragen zu müssen?
Bereits in seiner ersten Einlassung hatte der Täter damit geprahlt, ein sexuelles Verhältnis mit dem Opfer gehabt zu haben
– wie sich herausstellte, eine menschenverachtende |204| Lüge gegenüber seinem Opfer, das er gezielt in seine Gewalt gebracht hatte. Der einzige Bezugspunkt – und letztlich das Todesurteil
für die Patentanwältin – war der Umstand, dass der Täter einmal in der Kanzlei von Bettina S. ausrangierte Computer zur Verschrottung
abgeholt hatte und dabei auf die Frau aufmerksam geworden war. Sie stellte das krasse Gegenteil zu den Frauen dar, mit denen
er sonst Umgang hatte. Und als er mitbekam, dass sie einen roten Maserati fuhr, reifte in dem von merkwürdigen Sexphantasien
besessenen Täter ein mörderischer Plan. Er wollte diese Frau besitzen, sie in seine Gewalt bringen und dabei auch in den Besitz
der Luxuskarosse gelangen.
Das Auto wollte er anschließend verkaufen und von dem Erlös ein luxuriöses Leben führen. Er lauerte der arglosen Frau in der
Tiefgarage der Kanzlei auf, in der sie arbeitete. Als sie den Maserati auf ihrem Stellplatz parkte, stieg er zu ihr in den
Wagen und bedrohte sie mit einer Waffe. Einem Zeugen fiel auf, dass der Maserati mehr als eine halbe Stunde mit von innen
beschlagenen Scheiben auf seinem üblichen Stellplatz stand, ehe er wieder aus der Garage gefahren wurde. Ein weiterer Zeuge
bemerkte, dass beim Verlassen der Garage neben Bettina S. ein unbekannter Mann auf dem Beifahrersitz saß. Beide Zeugen hatten
keinerlei Veranlassung, ihren beiläufigen Beobachtungen irgendwelche Bedeutung beizumessen.
Der Täter dirigierte die Anwältin direkt zu ihrer Wohnung. Dort fesselte er sein Opfer und verließ am späten Vormittag für
etwa eine Stunde mit dem Maserati das Anwesen. Dabei wurde er von Zeugen gesehen, die sich wunderten, wer denn da mit dem
Auto von Bettina S. unterwegs sei. Allerdings vermutete man, ein Kundendiensttechniker hole das Fahrzeug zur Inspektion ab.
Etwa eine Stunde später kehrte der Täter zurück. Er nahm die Scheckkarte der wehrlos gefesselten Frau an sich und zwang sie,
ihm die PI N-Nummer zu verraten. Sodann hob er an einem Bankautomaten einen Betrag von 750 Euro ab. Einen Teil des Geldes brachte er sofort in die Wohnung seiner Freundin und versteckte es dort. Abermals kehrte er
zum Tatort zurück. Dort verging |205| er sich an Bettina S. und erstach sie schließlich. Mit dem Maserati verließ er danach den Ort seiner grausamen Tat. Sein angebliches
Ziel, in den Besitz des Fahrzeugbriefes zu gelangen, hatte
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