Mordkommission
»abstechen« könne. Wortlos machte der so Angesprochene auf der Stelle kehrt und stieg die Treppe
wieder nach oben. Was ihn dazu bewogen hatte, wird für immer sein Geheimnis bleiben. Sobald er nämlich in die Reichweite des
Randalierers gelangt war, stieß dieser ihm ein Messer mit Wucht direkt ins Herz. Tödlich getroffen, stolperte er die Treppe
nach unten, durchquerte mit Unterstützung seiner Begleiterin noch den Hausflur im Erdgeschoss und den Vorhof, ehe er auf dem
Gehweg tot zusammenbrach.
Erst jetzt realisierte die Frau, was geschehen war. Während durch ihre gellenden Schreie die übrigen Hausbewohner alarmiert |208| wurden, ging der Täter zurück in seine Wohnung, wo er auf dem Sofa sitzend seelenruhig auf die Polizei wartete und sich widerstandslos
festnehmen ließ.
Bei der Vernehmung räumte er die Tat ein, machte aber den angeblich vorausgegangenen Angriff mit dem Hockeyschläger für seine
Wut verantwortlich. Dies rettete ihn jedoch letztlich nicht vor einer langjährigen Haftstrafe.
|209| Tragisches Ende einer Aussprache
Mit dem Verdacht auf einen »erweiterten Suizid« ging folgende Meldung bei mir ein: In einem Mehrfamilienhaus am Ortsrand eines
idyllisch gelegenen Vorortes südlich von München hatte die freiwillige Feuerwehr an einem kalten Januartag bei einer Wohnungsöffnung
die Leichen einer fünfundzwanzigjährigen Frau und ihres neununddreißigjährigen Freundes aufgefunden. Dem ersten Anschein nach
war die Frau von ihrem Freund im Badezimmer erstochen worden; anschließend hatte sich der Täter an einem Balken im Wohnzimmer
erhängt.
Ein »erweiterter Suizid« kann mit dem Einverständnis des Opfers erfolgen, zum Beispiel dann, wenn jemand aufgrund einer langen,
leidvollen Krankheitsgeschichte seinen Tod herbeisehnt, aber aufgrund seiner Gebrechlichkeit körperlich nicht mehr in der
Lage ist, Suizid zu begehen. In solchen Fällen kommt es nicht selten dazu, dass ihn sein Partner aus Mitleid von seinem Leiden
erlöst und anschließend Selbstmord verübt, da er ohne diesen nicht leben will. Häufig jedoch steckt auch blinder Hass, zerstörerische
Eifersucht oder auch nur zutiefst gekränkte Eitelkeit hinter solchen Taten, beispielsweise wenn eine Beziehung auseinandergeht
und der Verschmähte beschließt, den »Abtrünnigen« beziehungsweise die »Abtrünnige« zu töten, weil er ihn beziehungsweise sie
keinem anderen gönnt. Die infamste und grausamste Art des erweiterten Suizides besteht darin, die Kinder des Partners zu töten,
ehe der Täter sich selbst umbringt. In diesen Fällen ist es für die Hinterbliebenen der Opfer besonders schwer, mit dem schrecklichen
Geschehen fertigzuwerden. Ein Leben lang fühlen sie sich schuldig am Tod der eigenen Kinder und quälen sich mit Vorwürfen,
die Gefahr nicht erkannt und so leichtfertig den Tod der Kinder verursacht zu haben. Der Täter aber kann für seine Tat nicht
mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Zumindest nicht vor einer irdischen Instanz.
|210| Im vorliegenden Fall war zu befürchten, dass die junge Frau das Opfer ihres vor Wut und Eifersucht rasenden Lebensgefährten
geworden war. Nachdem ich mir im Schutzanzug einen ersten Überblick verschafft hatte, überließ ich den Tatort schnellstmöglich
den Kollegen des Erkennungsdienstes, die ich einmal mehr nicht um ihre schaurige Arbeit beneidete. Die beiden Kollegen des
Kriminaldauerdienstes hatten inzwischen von Nachbarn und einer Freundin der Toten erfahren, dass die junge Frau, Ulla M.,
sich von ihrem Freund trennen wollte. Zuletzt war sie mit einer Freundin für ein paar Tage beim Skifahren gewesen und ihr
Freund hatte offenbar geargwöhnt, dass es einen anderen Mann im Leben seiner Freundin geben könnte. Nachbarn gegenüber sagte
er zwei Tage vor der Tat, wie maßlos enttäuscht er vom Verhalten seiner Freundin sei. Als diese am Tag darauf aus dem Skiurlaub
zurückkam, machte er ihr heftige Vorwürfe und es kam zu einem erbitterten Streit. Danach rief Ulla M. ihre Eltern in Thüringen
an und teilte ihnen mit, dass sie nun mit ihrem Freund endgültig Schluss machen und zu ihnen nach Thüringen zurückkehren wolle.
Die Eltern waren über diese Nachricht sehr erfreut, da ihnen der Freund ihrer Tochter von Anfang an nicht geheuer gewesen
war. Der Vater bot bei dem Telefonat spontan an, seine Tochter abzuholen; er könne sofort losfahren und in sechs bis acht
Stunden bei ihr sein. Doch Ulla M. lehnte ab, es sei nicht
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