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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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Engbers hat bei mir angerufen.« Er wartete eine Reaktion bei seinem Gegenüber ab, der jedoch nicht reagierte. »Er hat sich über Sie beschwert.«
    »Was hat er denn erzählt?«
    »Ich stehe hinter Ihnen, Davídsson. Das wissen Sie. Sie wissen auch, dass ich Sie sehr schätze, sowohl als Kollege als auch als Mensch.«
    »Ja.« Davídsson wusste es tatsächlich. Es waren nicht nur leere Worte eines Vorgesetzten, der zu einem Schlag ausholen wollte.
    »Er meint, Sie würden sich in seine Ermittlungen einmischen. Er sprach sogar von ›behindern‹.«
    Davídsson sah kurz an seinem Chef vorbei auf dessen Schreibtisch, auf dem genau die gleiche penible Ordnung herrschte wie auf seinem eigenen. Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut, dachte er jetzt, obwohl er wusste, dass es nichts damit zu tun hatte.
    »Sie wissen, dass es nicht so ist«, sagte Davídsson schließlich. Er ärgerte sich nicht über Engbers. Er hatte sich so etwas schon gedacht. Allerdings hatte er damit später gerechnet.
    »Ja, das weiß ich. Sie sollten mit ihm reden. Ich möchte, dass Sie ihm sagen, dass Sie an dem Fall arbeiten wie er – auf gleicher Augenhöhe und mit den gleichen Kompetenzen. Ich möchte, dass Sie ihm sagen, dass Sie die operative Fallanalyse in Deutschland mit aufgebaut haben und dass Sie ihm mit Ihren Ermittlungen helfen. Wenn er das nicht versteht, sagen Sie ihm, dass er nicht vergessen soll, mit wem er hier umspringt wie mit einem Anfänger.« Wittkampf saß aufrecht auf seinem Stuhl, als sei er zu einem plötzlichen Sprung bereit.
    Davídsson konnte Wut in den Augen seines Vorgesetzten entdecken. Das war neu für ihn. Er hatte ihn immer als ruhigen und besonnenen Chef wahrgenommen. Vielleicht fühlt er sich persönlich angegriffen?, überlegte er.
    »Ich könnte natürlich selbst mit ihm sprechen, aber das will ich nicht. Ich möchte, dass Sie es tun. Das ist viel wirkungsvoller, wenn er merkt, dass es nichts bringt, wenn er bei mir anruft.« Wittkampf lehnte sich wieder zurück. Er schien sich zu entspannen.
    »Ich spreche mit ihm, aber nicht heute.« Davídsson war sich nicht ganz sicher, ob Wittkampf nur aus diesem Grund nicht mit Engbers sprechen wollte, oder ob es in Wirklichkeit an seiner mangelnden Durchsetzungskraft lag. Aber das war ihm jetzt beinahe gleichgültig. Er war sich sicher, dass ein Gespräch mit Engbers zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts bringen würde.
     

3
     
    Ó lafur Davídsson stand vor dem kleinen Metalltor zur Kleingartenanlage, die von allen Seiten eingekeilt war.
    Die übermächtige Silhouette des Schwerbelastungskörpers auf einer Seite, die S-Bahn-Gleise auf der anderen Seite. Und dann gab es noch die Kaserne und das Hochhaus auf den anderen beiden Seiten.
    Engbers hatte die Uniformierten alle Hochhausbewohner befragen lassen, ohne Erfolg. Es gab nur noch wenige Türen, die sich nicht geöffnet hatten, als die Polizisten davor gestanden waren. Dahinter würde sich aber auch niemand verbergen, der etwas gesehen oder gehört hatte. Davon war Davídsson überzeugt. Die Anonymität war der größte Schutz in solchen Wohnsilos, und auch ihr größter Fluch.
    Wahrscheinlich war der einzige Vorteil dieser Kleingartenanlage der, dass sie mitten in der Stadt lag und man nicht besonders weit fahren musste, um ins Grüne zu kommen.
    Aber ob man sich hier bei dem ständigen unterschwelligen Lärmpegel überhaupt erholen konnte, bezweifelte er jetzt, als er vor einer kleinen Holzhütte stand. Die Luft roch noch nach Herbst und der Garten um ihn herum war gerade erst umgegraben worden. Ein vereinsamter Gartenzwerg mit einer roten Mütze lachte wie zum Trotz auf einer Steinplatte inmitten von brauner Erde.
    Davídsson konnte nichts mit dieser Kultur anfangen und er kannte sie auch nicht aus seiner Heimat.
    Ein Mann hatte ihn wohl kommen gehört, er trat jetzt jedenfalls aus einer dunkelgrün gestrichenen Tür und begrüßte ihn. Er war jünger, als Davídsson angenommen hatte.
    »Jochen Schuhmann, wir hatten kurz miteinander telefoniert«, sagte er jetzt und setzte sich auf eine Bank, die unter einem dunklen Fenster stand.
    »Ja, Sie sind einer der direktesten Nachbarn des Schwerbelastungskörpers. Ich habe ein paar Fragen an Sie.« Davídsson setzte sich neben ihn auf die Bank. Von hier aus hatte man einen guten Blick auf die gesamte Anlage, die jetzt aber noch trostlos wirkte. Im Frühling würde sie wieder erwachen und vielleicht auch schöner werden.
    »Das Ding war uns lange ein Dorn im Auge.

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