Mordlast
abgeschaltetem Motor, weil er hoffte, dass der Regen, der jetzt ziemlich heftig auf das Auto niederprasselte, wieder nachlassen würde. Nur das kurz aufflackernde Wetterleuchten erhellte die leeren Straßen. Hinter den meisten Fenstern in der Straße brannte gelblich warmes Licht, und die angenehme Temperatur im Wagen in Verbindung mit dem sanften gleichmäßigen Geräusch des Regens ließ ihm einen wohltuenden Schauder über den Rücken fahren.
Plötzlich überkam ihn die Anstrengung der letzten Tage und legte sich mit verführerischer Müdigkeit über ihn. Bevor er sich jedoch von ihr gefangen nehmen lassen konnte, kam eine günstige Gelegenheit, um die geschätzten hundert Meter relativ trocken zurücklegen zu können.
Davídsson stieg aus seinem Saab 9-3 und sprintete zum Eingang des Restaurants, wo er beinahe mit Marian zusammengestoßen wäre, der ebenfalls gerannt war und ihn jetzt völlig außer Atem begrüßte.
Sie gingen durch die hellblau gestrichene Eingangstür und warteten in dem vollen Lokal, bis Ulf Mansson sie herzlich begrüßte und ihnen ein Platz am Fenster zuwies.
Das Restaurant war typisch schwedisch eingerichtet und das war es wahrscheinlich, was Davídsson so gefiel. Marian fand dagegen, dass es ihn zu sehr an Ikea erinnerte, aber ihm schmeckte das Essen genau wie Ólafur Davídsson, weshalb er ihn immer gerne hierher begleitete.
Tatsächlich überwogen hell gebeiztes Holz und die hellen, etwas spartanisch wirkenden Stühle und Tische, auf denen nur jeweils eine schlichte weiße Kerze brannte und ein paar bunte Glasperlen lagen.
Davídsson hatte gehört, dass die Möbel eigenhändig von Ulf Mansson gebaut worden waren, der ursprünglich eine Ausbildung zum Schreiner in Schweden gemacht hatte.
An den weiß gestrichenen Wänden hingen ein paar in dünnem Holz gerahmte Bilder, die schwedische Landschaften zeigten, und auf einem Regal, auf dem ausschließlich schwedische Bücher aufgereiht standen, gab es eine kleine schwedische Flagge.
Sie entschieden sich an diesem Abend beide für Pytt i Panna und Pripps Blå zusammen mit eiskaltem Aquavit, was zu der deftigen Mahlzeit mit einem leichten Hang zum Süßlichen hervorragend passte.
Nachdem sie einige freundliche Worte mit Ulf getauscht hatten, der wie gewohnt in typischer Landestracht servierte, unterhielten sie sich über Curling und das letzte Spiel.
Sie hatte eine Zigarette in ihrer rechten Hand.
Die ganze Wohnung war eine einzige Zigarette. In der Diele empfing die Beamten der beißende Gestank von Nikotin. Die Wände waren alle gelb, genau, wie die Vorhänge und die Möbel.
Ólafur Davídsson dachte an Engbers, der neben ihm stand und versuchte, von dieser Sucht loszukommen.
Die Spurensicherung hatte diese Adresse in der Wohnung des Opfers gefunden, in der Davídsson bisher noch nicht gewesen war.
Engbers hatte ihn angerufen, als er gerade auf dem Weg ins Büro gewesen war. Sie waren mit getrennten Autos gefahren, aber es war trotzdem ein Fortschritt, dass Engbers ihn angerufen hatte, bevor er zu dieser Adresse fuhr.
Jetzt standen sie in der Wohnung einer kleinen, runden Frau, die sie beide überrascht durch eine Lesebrille musterte. Ihre roten Haare waren am Haaransatz grau, fast farblos.
»Wir haben diese Adresse bei einem Herrn Bernd Propstmeyer gefunden«, erklärte Engbers ihr Anliegen. Ihm war sichtlich unwohl in dieser Wohnung. Er spielte mit seinem Polizeiausweis, nachdem die Frau einen Blick darauf geworfen hatte.
»Bernd«, sagte sie jetzt beinahe tonlos. Sie nahm einen Zug und blies den Rauch direkt in Engbers Richtung.
»Sie kennen ihn?«
»Tja. Kennen ist zu viel gesagt.«
»Was heißt das?« Engbers wurde ungeduldig. Seine Stimme wurde schärfer.
»Warum wollen Sie das wissen?«
Machen wir ein Spiel, Sie beantworten meine Fragen, und ich dann ihre, dachte Davídsson, sagte aber nichts. Er hasste diese sinnlosen Dialoge.
»Wir können Sie auch mit aufs Polizeipräsidium nehmen, wenn Sie uns dort lieber antworten«, sagte Engbers jetzt mit gefährlichem Unterton.
»Polizeigewalt. Glauben Sie, dass Sie dadurch auch nur ein Sterbenswörtchen mehr aus mir herausbekommen? Ich war am 14. November 1981 in Frankfurt bei der Demo gegen die Startbahn West dabei. Ich habe gesehen, was euer Polizeistaat alles fertigbringt und habe trotzdem nichts gesagt.« Sie zündete eine neue Zigarette mit der Glut der letzten an. Für einen Moment hatte sie zwei Zigaretten in der Hand, aber man sah, dass sie es gewohnt
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