Mordlast
Anchovisfilets.«
Engbers nickte und Davídsson bestellte auf Schwedisch.
»Du kannst Schwedisch?«
Davídsson lachte. »Nein, nur ein paar Brocken, aber es reicht, um den Magen zu füllen. Ich habe mich über die Ceciliengärten informiert.«
»Und?« Engbers kramte eine Zigarettenpackung aus dem Hemd und legte sie auf den Tisch.
»In den nordischen Ländern gibt es ein absolutes Rauchverbot in allen Restaurants.« Er grinste.
»Mhm.« Engbers legte demonstrativ sein Feuerzeug zu der Packung.
»Du hattest recht. Die Ceciliengärten waren wie geschaffen für einen Menschen mit den Vorlieben von Bernd Propstmeyer. Die Wohnsiedlung ist in den 1920er Jahren erbaut worden. Genauer gesagt zwischen 1922 und 1927.«
»Und das kannst du dir so genau merken?«
»Ich habe es erst vor zwei Stunden gelesen.«
Engbers nickte.
»1977 wurde die Siedlung zunächst zum Gartendenkmal erklärt und dann 1995 als Denkmalbereich in die Berliner Denkmalliste aufgenommen.«
»Schon wieder ein Eintrag in die Denkmalliste.«
»Ja. Der Schöneberger Stadtbaurat Heinrich Lassen hat die Planung der Ceciliengärten übernommen, allerdings nach einigen Anfangsschwierigkeiten, wie zum Beispiel dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise. Nach der Fertigstellung wurden daraus Dienstwohnungen, die für Mitarbeiter des Staates und für die Bediensteten der Berliner Verkehrsbetriebe reserviert waren. Die hatten nämlich größtenteils die Finanzierung übernommen, zumindest für den nordöstlichen Bereich.«
Manssons Tochter servierte das Essen. Davídsson wusste, dass es Manssons Frau gekocht hatte. Sie waren die einzigen Gäste.
»Und wer wohnt jetzt da? Nur Freaks, die auf die gute alte Zeit stehen?«
»Der Bereich, den die BVG damals finanziert hat, gehört ihr auch heute noch. Das sind die Häuser der Ceciliengärten 40 bis 53, Traegerstraße 2 und 3 sowie die geraden Hausnummern der Rubensstraße 16 bis 38.«
»Also auch das Haus, in dem Bernd Propstmeyer eine Wohnung hatte.«
»Ja genau.«
»Und du vermutest jetzt, dass wir auf diese Weise in Erfahrung bringen können, wo unser Opfer gearbeitet hat.« Engbers schob sich den letzten Bissen in den Mund. Sie hatten währenddessen kaum gesprochen, und das Essen schien ihm geschmeckt zu haben.
»Wenn er nicht direkt bei der BVG gearbeitet hat, ja. Aber es geht noch weiter. Die Ceciliengärten wären zwar nach dem Planungsstand von 1942 nicht unmittelbar von der Umsetzung der Welthauptstadt Germania betroffen gewesen, aber man kann trotzdem auf Luftbildern erkennen, dass mitten auf der zentralen Grünanlage mehrere Schützengräben ausgehoben worden sind. Vermutlich nur aus Gründen der sogenannten Bevölkerungsvorsorge, aber immerhin.«
»›Sogenannte‹ kannst du in diesem Zusammenhang fast vor jeden Ausdruck aus der Zeit setzen oder weglassen. Welthauptstadt Germania, Schwerbelastungskörper etc. etc.«
»Ich weiß, was du meinst.« Davídsson war jetzt auch fertig mit Essen.
»War die Siedlung denn in Gefahr? Ich meine, bei den Planungen von Germania, weil du das eben so betont hast.«
»Nach den Plänen hättest du halb Berlin nicht wiedererkannt. Aber im Fall der Ceciliengärten endete die geplante Nord-Süd-Achse kurz vor den Toren der Siedlung am Vorarlberger Damm.«
Manssons Tochter räumte den Tisch ab und brachte zwei Aquavit, die sie in eiskalten, beschlagenen Gläsern servierte.
»Und diese Nord-Süd-Achse spielt doch auch beim Schwerbelastungskörper eine Rolle, oder?« Als sie aus dem Gesichtsfeld von Engbers verschwand, widerstand er der Versuchung, ihr mit den Augen zu folgen.
Ólafur Davídsson bemerkte es, dachte aber nicht weiter darüber nach. Seine Gedanken kreisten noch immer um den Fall.
»Auf Höhe der heutigen Kolonnenstraße war ursprünglich eine Querachse vorgesehen, die als Verbindungsstraße zum östlich gelegenen Flughafen Tempelhof angelegt war. Auf dem Platz am Schnittpunkt der beiden Achsen plante Albert Speer den Triumphbogen, dessen Machbarkeit mittels des Schwerbelastungskörpers überprüft werden sollte.«
»Scheiße. Also könnte doch ein Zusammenhang zwischen dem Flughafen Tempelhof, dem Mord und den Ceciliengärten bestehen.«
»Vielleicht ja. Aber diese Information darf auf keinen Fall an die Presse gelangen.«
»Dann hätten wir die reinste Hölle und möglicherweise eine Hysterie um den Flughafen.«
»Und dann mischt sich die Politik in unsere Arbeit ein.«
»Kriegst du deinen Saab irgendwann
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