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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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versucht hatte, mit ihr zu sprechen.
     

16
    E s hatte etwas gedauert, bis er ihn endlich gefunden hatte. Ólafur Davídsson stand vor dem Krankenbett von Michael Schneider, dem Ehemann von Iris Schrauder.
    Sie hatte ihren Mädchennamen bei der Hochzeit behalten.
    Er musste unwillkürlich an Franz Schrauder denken, der seinen Schwiegersohn mit keiner Silbe erwähnt hatte. Der alte Mann dachte nur an sich, wie seine ganze Familie es vermutlich auch tat.
    Außer vielleicht Lukas Propstmeyer, überlegte Davídsson. Er hatte plötzlich das Bedürfnis gehabt, mit Michael Schneider zu sprechen, oder es zumindest zu versuchen, auch wenn er wusste, dass das nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun haben konnte, und obwohl er solche Einrichtungen hasste.
    Sie erinnerten ihn zu sehr daran, was alles passieren konnte. Wie sich das Leben von heute auf morgen ändern konnte.
    Blitzschnell und erbarmungslos.
    Vor ihm saß ein hagerer Mann, irgendwo zwischen dreißig und vierzig. Seine Haut war blass von dem künstlichen Licht, das Tag und Nacht die einzige Lichtquelle war. Sein Gesicht sah merkwürdig steif aus.
    Er hielt seine rechte Hand mit der linken und sein Blick ging ins Leere.
    Davídsson setzte sich auf einen Stuhl, den er leise an das Bett herangezogen hatte. Auf dem Nachttisch stand noch das Essen und eine Schnabeltasse mit kaltem Pfefferminztee, dessen Geruch den ganzen Raum erfüllte. Neben dem Bett, dessen Kopfteil leicht angewinkelt war, stand ein Rollstuhl, auf dessen Rückenteil irgendjemand den Namen des Patienten geschmiert hatte.
    »Herr Schneider, ich bin ein Freund Ihrer Familie«, begann Davídsson, obwohl er nicht wusste, was er sagen sollte. »Erinnern Sie sich an Ihre Familie?«
    »Ja.« Schneider sah immer noch aus dem Fenster, ohne die Sonnenstrahlen zu registrieren, die ihm in breiten Bahnen ins Gesicht fielen, als wollten sie ihn wärmen.
    »An Ihre Frau? Iris Schrauder?«
    »Ja.«
    »Waren Sie glücklich mit ihr?«
    Schneider sah Davídsson zum ersten Mal an. »Sie kommt mich nie besuchen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich muss noch lange hier bleiben.« Michael Schneider sah wieder aus dem Fenster. Plötzlich versuchte er aufzustehen, aber er konnte sich nicht halten. Die gesamte linke Körperhälfte war gelähmt und folgte nicht mehr den Anweisungen seines Gehirns.
    Davídsson stützte ihn.
    »Ich will nach Haue. Ich bin nicht krank. Alle sagen, ich sei krank, aber ich bin es nicht.«
    »Wo ist Ihr Zuhause?«
    Schneider sah ihn mit einem verwirrten Blick an. Die Frage schien für ihn nicht zu beantworten zu sein.
    »Ich bin gesund.«
    Davídsson setzte den Mann in den Rollstuhl und schob ihn zu einem der vier Fahrstühle auf dem Flur. Keiner fragte ihn, wo er mit dem kranken Mann hinwollte.
    Davídsson lenkte den Rollstuhl unter den Arkaden in die Sonne, die jetzt durch einen sanften Wind erträglicher geworden war.
    »Schön warm.« Schneider versuchte wieder, sich aus seinem Rollstuhl zu befreien, und Davídsson erkannte, wie schwierig es sein musste, jeden Tag diese Tragödie aufs Neue zu erleben.
    »Ich will laufen. Ich kann das.« Schneider versuchte es wieder.
    »Das geht nicht.« Davídsson versuchte ihn zu beruhigen, indem er ihm sanft die Schultern tätschelte. Er fühlte sich der Situation plötzlich nicht mehr gewachsen und drehte um.
    »Bernd ist tot.«
    Sie waren gerade im Aufzug auf dem Weg nach oben, wo all die hoffnungslosen Fälle und die Alleingelassenen auf sie warteten.
    »Welchen Bernd meinen Sie?« Davídsson spürte, wie das Blut in seinen Schläfen pochte. Erst langsam, dann immer schneller und lauter.
    »Bernd. Er ist tot.«
    »Wer hat Ihnen das erzählt?«
    »Evelyn.« Er drehte sich zu Davídsson um, so weit es ging. »Nein. Iris.«
    »Ihre Frau hat Ihnen erzählt, dass Bernd tot ist?«
    Er sah Davídsson wieder mit dem verwirrten Blick an. Irgendetwas stimmte nicht. Noch nicht.
    »Iris hat es Ihnen erzählt?«
    »Ja.«
    »Wann?« Davídsson wollte ganz sicher gehen.
    »Gestern.«
    »Sie hat gestern mit Ihnen gesprochen?«
    »Ja.«
     
    Davídsson fuhr mit dem schwarzen Mercedes zu Martina Krug. Er hatte bei ihr angerufen, aber im Büro war nur eine Sekretärin an ihren Apparat gegangen. Er hatte das Gespräch über die Freisprecheinrichtung des Wagens geführt, die die perfekte Balance zwischen Motorengeräusch und Lautstärke schaffte. Martina Krug war nicht auf der Arbeit. Sie hatte sich den Tag kurzfristig freigenommen.
    Natürlich, dachte er, als er den Ausknopf auf dem

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