Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
Vom Netzwerk:
versucht, in der Hoffnung, den Mietwagen wenigstens für ein paar Sekunden auszufahren, aber er hatte Pech gehabt und war in einen Stau geraten, der sich über den gesamten Ring gezogen hatte.
    Die Schule unterschied sich schon von außen von dem, was er eine halbe Stunde zuvor vom Schadow-Gymnasium gesehen hatte. Diese Schule wirkte grau und trist. Er lief über einen gepflasterten Platz, auf dem zwei leere Tischtennisplatten in der Sonne standen und wie ein Ofen Hitze auf ihn abstrahlten. Er sah Graffiti an den Wänden unter schmalen türkisfarbenen Fenstern, die eher an ein Gefängnis als an eine Schule erinnerten.
    Auch hier waren die Schüler schon ins Freibad entlassen worden. Viele von ihnen würden übers Wochenende an die Ostsee fahren oder ins Umland an einen See, in dem sie sich abkühlen und austoben konnten.
    Davídsson dachte an die breite Treppe seiner Schule, auf der er seinen ersten Kuss bekommen hatte. Kristín hatte auf dem dunklen Fliesenboden gesessen und ihn abgepasst, als er mit seinen Freunden aus dem Klassenzimmer des obersten Stocks hinuntergehen wollte. Überall um sie herum klebten bunte Zettel und Fotos auf dem grauen Beton. Er erinnerte sich unwillkürlich an den knallroten Flyer, der zu einer Party im Hressingarskálinn einlud. Er hatte direkt über ihrem Kopf gehangen und ließ ihre rotblonden Haare leuchten.
    Sie hatte ihn mit ihren grünen Augen angesehen und dabei etwas völlig Banales gesagt, an das er sich nicht mehr erinnern konnte. Sie war aufgestanden und hatte ihn geküsst, ohne dass er zuvor etwas hatte antworten müssen. Er konnte sich noch an die sanfte Bewegung ihrer Zunge erinnern, die sich langsam durch seinen Mund schob und an das Gefühl, das seinen gesamten Körper durchfuhr, als sei er von tausend kleinen Blitzen getroffen worden.
    »Hier ist keiner mehr.« Der Mann in dem blauen Latzanzug stand genau neben ihm. »Hitzefrei.«
    Der Mann musste sich angeschlichen haben. Er hatte ihn nicht kommen gehört, obwohl seine eigenen Schuhe auf dem blankpolierten Steinboden bei jedem seiner Schritte gequietscht hatten.
    Vielleicht ist das ja die geheime Berufsvoraussetzung für einen Hausmeister, dachte Davídsson. Kristín und er waren häufig vom Hausmeister erwischt worden, wenn sie sich abends heimlich in der Schule getroffen hatten.
    »Ich verstehe.« Davídsson stand in einem breiten Flur mit grünen Türen, die in regelmäßigen Abständen zu Klassenzimmern führten.
    Hier roch es nicht nach Kindheit. Der trockene, weiche Duft fehlte. Der Geruch in dieser Schule war anders. Weniger intensiv.
    »Ich wollte zu Frau Meyer-Uhlmann.«
    Der Hausmeister sah Davídsson mit einem misstrauischen Blick an. »Ist schon weg. Hitzefrei.«
    »Es muss hier irgendwo ein paar Plakate von einer Ausstellung geben, die sie über den Schwerbelastungskörper gemacht hat.«
    »Die Frau macht dauernd irgendwo irgendwelche Ausstellungen, aber die Schule ist jetzt geschlossen. Kommen Sie morgen wieder.«
    Der Kriminalanalyst zeigte seinen Ausweis und der Hausmeister sah ihn noch misstrauischer an.
    »Sie müssen mit dem Rektor sprechen. Ich kann Ihnen da nicht helfen.« Der Hausmeister wollte auf dem Absatz kehrtmachen, aber Davídsson hielt ihn zurück.
    »Ich möchte nur die Plakate sehen. Es geht nicht um irgendein Jugenddelikt.«
    »Die Polizei kommt hier ziemlich oft vorbei. Es geht immer um Drogen, Prügeleien oder um irgendwelche Einbrüche.«
    »Ich kann es mir vorstellen, aber mir geht es wirklich nur um die Ausstellung.«
    Der Hausmeister überlegte. Davídsson konnte ihm fast dabei zusehen, wie er seine Entscheidung traf und mit einem brummenden Laut über den Flur vorweg lief, bis sie vor einem Klassenzimmer stehen blieben.
    Davídsson las das Schild: ›Klasse 6c – Herr Weißensee‹.
    »Das war mal das Klassenzimmer von der Meyer-Uhlmann. Da drin hängen irgendwelche Plakate, über einen Klotz aus Beton. Darum geht es Ihnen doch, oder?«
    Davídsson nickte freundlich, während der Hausmeister das Klassenzimmer aufschloss und auf die Wand am Ende des Raumes deutete. An der grünen Tafel gegenüber standen noch einige Zeilen aus einer Fabel, die ein Schüler um ein paar wüste Worte ergänzt hatte.
    Davídsson ging durch die leeren Tischreihen zu den Plakaten am anderen Ende des Klassenzimmers und sah sie sich genauer an. Eine Schülergruppe hatte auf einem orangefarbenen Papier Details über Größe, Umfang und Gewicht des Schwerbelastungskörpers zusammengetragen. Er überflog

Weitere Kostenlose Bücher