Mordlicht
diese Telefonverbindung, dass er nach der Tat
– welcher auch immer – fortwollte. Es bekräftigt unsere Vermutung, dass es sich
um jemanden handelt, der nach der Tat ins Ausland flüchtet. Und er spricht
Deutsch oder Englisch. Mit unserem Verdacht, es könnte ein Ausländer sein,
liegen wir wahrscheinlich nicht verkehrt.«
»Ja, Sherlock«,
grinste Große Jäger. »Und was ist mit der Husumer Nummer?«
Christoph wählte.
Doch es meldete sich nur eine Computerstimme. »Dieser Anschluss ist
vorübergehend nicht erreichbar.«
Mommsen starrte
immer noch auf das Blatt mit dem Zahlenrätsel.
»Und welche
Bedeutung hat der Haken in der zweiten Zeile? Könnte es bedeuten, dass eine
Ziffer doppelt gewählt wird?«
Auch Christoph sah
auf die Abweichung vom Schema. »Wenn du Recht hast, Harm, würde die Vorwahl
0045-74 … lauten. Das heißt …«
»… Dänemark!«, fiel
ihm Mommsen ins Wort und nahm das Blatt an sich. »Ich versuche, Namen und
Anschrift hinter den Telefonnummern herauszubekommen.« Dann zog er sich an
seinen Arbeitsplatz zurück.
Christoph dreht sich
zu Große Jäger um, der seine Füße wieder in der Schreibtischschublade geparkt
hatte. »Was macht ›Blödmann‹?«
Der Oberkommissar
winkte ab. »Arbeit« war sein ganzer Kommentar. »Und wie war dein Wochenende?«
Christoph imitierte
die abwehrende Geste Große Jägers. »Wie, Wochenende?«
»Hmmh!«, brummte der
Oberkommissar und schlug die Zeitung auf. »Mal sehn, wie der Husumer SV es wieder vergeigt hat.«
Christoph füllte
einen Löffel Vanille-Sahne-Zucker in seine Tasse und goss Tee hinterher. Mit
einem leisen Knacken verbanden sich Kandis und Flüssigkeit. Während er
umrührte, beugte er seinen Kopf über die Tasse und genoss das zartblumige Aroma
des Darjeelings aus der ersten Frühjahrspflückung. Vorsichtig nahm er einen
Schluck des heißen Getränks. Mommsen ließ den Tee nur drei Minuten ziehen. Das
bewahrte die Frische, obwohl sich die Geister an dieser Stelle schieden. Andere
Teetrinker versicherten, der wahre Charakter des Blattgetränks würde sich erst
nach fünf Minuten Brühzeit entfalten. Und dann müsse es auch ein Assam sein.
Oder gar ein afrikanischer Tee. Tiefschwarz und bitter.
»Den kannst du auch
zum Imprägnieren deines Gartenzauns verwenden«, hatte Christoph diese
Geschmacksrichtung umschrieben und war froh, dass Mommsen ähnliche Vorlieben
wie er selbst pflegte. Und als würde er unterstreichen wollen, dass es auch
noch andere Ansichten gibt, war das laute Schlürfen von Große Jäger an seinem
Kaffee hörbar.
»Jetzt habe ich alle
Daten«, meldete sich Mommsen nach einer Weile. »Neben der Lufthansa gehören die
Telefonnummern einem Ivo Dugovic aus Heide, Fabian Auhagen aus Husum, Georghe
Smitkov aus Quickborn und Manfred Schöppe. Der wohnt in Schleswig. Die dänische
Nummer gehört Anneliese Schmidt, die in Aabenraa beheimatet ist. Und nun kommt
die größte Überraschung: Gleich die erste Nummer auf dem Zettel gehört Frank
Reiche.«
»Fabian Auhagen. Das
ist der mit dem gesperrten Anschluss. Wo wohnt der in Husum?«
»In der
Adolf-Brütt-Straße. Das könnte eines der beiden Hochhäuser gleich hinter der
Kreisverwaltung sein. Der junge Mann, er ist fünfundzwanzig, steht in unserer
Kundendatei. Er ist zweimal wegen Diebstahl vorbestraft. Das erste Mal war eine
Geldstrafe, beim zweiten Mal ist die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden.
Das ist jetzt zwei Jahre her.«
»Und die anderen?«
»Augenblick.«
Mommsen tippte etwas auf seiner Tastatur ein. »Hier haben wir es. Manfred
Schöppe. Vorbestraft wegen Betrug. Derzeit läuft gegen ihn ein
Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung und Abgabe einer falschen
eidesstattlichen Versicherung.«
»Das klingt nicht
so, als hätten wir es mit einer Bande gewalttätiger Krimineller zu tun. Sehen
wir uns den Husumer einmal an«, sagte Christoph zu Große Jäger gewandt.
Der nahm noch einen
Schluck Kaffee und stand ohne ein weiteres Wort auf.
Die
Adolf-Brütt-Straße lag am nördlichen Stadtrand. Sie fuhren mit Christophs Volvo
die Umgehungsstraße über die Klappbrücke, die den Binnen- vom Außenhafen
trennte. An diesem Vormittag waren kaum Fahrzeuge unterwegs, sodass sie für die
kurze Entfernung nur wenige Minuten benötigten.
»In einer Kritik zu
einem Husumbuch hat sich ein Rezensent darüber ausgelassen, dass der Verfasser
des Artikels Husum als Stadt der kurzen Wege beschrieben hat, dass hier alles
fußläufig wäre. Das erschien dem
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