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Mordlicht

Mordlicht

Titel: Mordlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Dort lag »Dragseth’s«, der älteste Gasthof der
Stadt.
    Die vier Bäume vor dem romantischen Gebäude warfen lange Schatten. Sie betraten das Haus durch die niedrige Tür und standen im
kleinen Flur mit dem bäuerlichen Ambiente. Gleich rechts, hinter dem als Zierde
liegenden Strohballen, ging die zweite Tür in die Gaststube mit dem begehbaren
wuchtigen Kachelofen ab, der den Raum dominierte.
    »Hallo«, begrüßte sie Judith, die Wirtin. »Wie immer?«
    Bevor Christoph oder Mommsen antworten konnte, hatte
sich Große Jäger bereits vorgedrängelt. »Wir brauchen keine Karte. Wie immer.«
    »Also gut«, sagte Judith lachend. »Vier Bier, für den
Boss Krabben mit Rührei, für Harm Finkenwerder Scholle und für dich, Wilderich,
gebratenen Aal, Speck und viel zerlassene Butter. Dazu Bratkartoffeln für
alle.«
    Sie wunderte sich inzwischen auch nicht mehr über die
bestellten vier Bier, obwohl sie nur zu dritt waren. Große Jäger hatte es sich
angewöhnt, das erste Bier im Sturztrunk hinunterzukippen. Ihm dauerte das
Bestellen und An-den-Tisch-Liefern des zweiten Getränks einfach zu lange.
    Sie sprachen über Belangloses, bis die Getränke
serviert wurden. Große Jäger setzte sein Glas an und trank gut die Hälfte des
Glases ohne abzusetzen leer. Dann wischte er sich mit dem Handrücken den Schaum
von den Lippen.
    »Worin liegt das Motiv für die Taten?«, fragte er in
die Runde. »Hängt es wirklich mit der möglichen Komplizenschaft bei den
Banküberfällen zusammen?«
    »In dieses Bild passen die anderen Beteiligten nicht«,
antwortete Christoph. »Mich wundert die Gewalt in diesem Fall. Der Mitrolitis
ist einem üblen Schläger in die Hände gefallen. Der Mann hat Angst. Das war
unübersehbar. In dieses Bild würde auch passen, dass sein Bekannter, Ivo
Dugovic, panikartig die Flucht ergriffen hat.«
    »Es sieht so aus, als hätte er sich aus dem Staub
gemacht, als er vom Überfall auf seinen Freund gehört hat«, warf Mommsen ein.
    »Schutzgelderpressung?«, überlegte Große Jäger.
    Christoph sah aus dem Fenster. Auf der
gegenüberliegenden Straßenseite stand die beleuchtete Werbesäule der
Stadtwerke. Die wechselnde digitale Anzeige verkündete die Uhrzeit, das
Tagesdatum und die aktuelle Temperatur. Es waren selbst um diese Abendstunde
immer noch zwölf Grad.
    »Und wenn dem Ganzen ein politisches Motiv zugrunde
liegt?«
    Die beiden anderen sahen Christoph an.
    Große Jäger stimmte als Erster zu. »Das könnte auch
zutreffen. Wer ist zum Beispiel der Unbekannte, der vor Reiches Haus gestanden
hat? Und wer hat uns auf der Fahrt nach Heide verfolgt?«
    »Wir sollten diesem Punkt in den nächsten Tagen etwas
mehr Aufmerksamkeit schenken.«
    »Tja«, ereiferte sich der Oberkommissar. »Wo gibt es
so was, dass die Polizei bespitzelt und verfolgt wird.« Dann griff er zum Glas.
»Skol!« Ohne abzusetzen leerte er das Trinkgefäß, hob es in die Höhe und
signalisierte damit der Wirtin, dass er ein weiteres Bier wünschte. Dann
lächelte er quer durch die Gaststube einer weißhaarigen Frau zu, die zwei
Tische weiter saß und an einem Weinglas nippte. Sie mochte wohl an die sechzig
sein und trug einen hellblauen Rollkragenpullover, der ihre
wohlproportionierten weiblichen Rundungen deutlich zur Schau stellte. Große
Jägers Lächeln wurde von ihr erwidert. Christoph registrierte, dass der
Blickkontakt zwischen der Frau und seinem Kollegen nicht mehr abriss. Als
Judith die neue Runde brachte, nahm der Oberkommissar sein Glas in die Hand,
erhob sich mit einem gemurmelten »Ihr entschuldigt mich mal kurz« und setzte
sich zu der Unbekannten. Dort blieb er, verstrickt in eine angeregte
Unterhaltung, sitzen, bis sich das neu gefundene Paar nach einer ganzen Zeit
mit einem Kopfnicken verabschiedete.
    In der Tür stießen sie mit einem kleinen Mann
zusammen, der durch seine bunte Kleidung auffiel. Der geöffnete pinkfarbene
Blouson gab den Blick auf ein knallgelbes Sweatshirt frei. Ein roter Gürtel
hielt die grüne Hose. Während das Haupthaar fast kahl geschoren war, schwebte
am Hinterkopf ein kleiner Zopf. Das Nasenpiercing war nur noch eine weitere
Dreingabe der Absonderlichkeiten.
    Der Neuankömmling steuerte zielsicher den Tisch der
beiden Polizisten an, beugte sich zu Christoph nieder und begrüßte ihn mit
einem beidseitigen Wangenkuss, wie es – so hatte Große Jäger einmal spöttisch
bemerkt – in Golfclubs üblich ist, wandte sich dann Mommsen zu und gab diesem
einen Kuss auf die

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