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Mordlicht

Mordlicht

Titel: Mordlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Brücken, die den Nord-Ostsee-Kanal
überqueren, und wirfst die Leiche auf ein zufällig vorbeifahrendes Schiff. Das
alles in der Hoffnung, dass die dumme Polizei hinterher nicht darauf kommt, wo
und wie die ungebetene Fracht an Bord gelangt ist.«
    »Es gibt sechs Brücken über den Kanal. Die
beiden Autobahnbrücken in Hohenhörn und Rade dürften ausscheiden, da es
viel zu auffällig wäre, auf einer Autobahn zu halten und etwas ins Wasser zu
werfen. Das würde die Aufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmer erregen und
somit unliebsame Zeugen schaffen. Die Brücke bei Brunsbüttel hat eine zu lange
gerade Rampe, die Kieler Brücken sind zu stark frequentiert. Bleibt
idealerweise die Grünentaler. Das dürfte die Brücke mit dem geringsten
Verkehrsaufkommen sein. Außerdem liegt sie günstig, da sich gleich oben an der
Brücke ein Parkplatz befindet, der im Oktober bei Dunkelheit einsam genug
liegt, um dort unentdeckt zu bleiben. Harm, versuch doch einmal herauszufinden,
wann das Schiff den Nord-Ost-See-Kanal passiert hat.«
    Mommsen nickte und machte sich sogleich an die Arbeit.
Er führte ein paar Telefonate, recherchierte im Internet und meldete sich nach
einer knappen Stunde mit dem Ergebnis.
    »Die ›Solothurn Express‹ hat sich am Mittwoch, dem 19.
Oktober, um sechzehn Uhr in Kiel-Holtenau angemeldet. Die
Schleusungszeit beträgt etwa dreißig Minuten. Gemäß der Klassifizierung des
Schiffes ist im Kanal eine Höchstgeschwindigkeit von sechseinhalb Knoten
zulässig, das sind etwa zwölfeinhalb Stundenkilometer. Die Grünentaler Brücke
liegt bei Kanalkilometer 31, gerechnet von Brunsbüttel. Das bedeutet eine
Entfernung bis Holtenau von rund siebenundsechzig Kilometern. Ein Schiff
benötigt somit etwa fünfeinhalb Stunden Fahrtzeit. Rechnen wir die Schleusung
hinzu, muss die ›Solothurn Express‹ gegen zweiundzwanzig Uhr an der Grünentaler
Brücke gewesen sein.«
    »Wenn wir – rein hypothetisch – zurückrechnen«, sagte
Christoph, »könnte das heißen, dass Reiche bei einer angenommenen Fahrtzeit von
eineinhalb bis zwei Stunden von Leck bis zum Kanal sein Opfer am frühen Abend,
so gegen neunzehn Uhr, ermordet haben könnte. Um diese Jahreszeit ist es auch
schon dunkel, sodass er unbemerkt von seinen Nachbarn die Leiche in seinen Pkw
schaffen konnte.«
    »Warum hat er nicht bis Mitternacht gewartet?«, warf
der Oberkommissar ein.
    »Die Frage kann uns Reiche nicht mehr beantworten. Ich
kann mir aber vorstellen, dass er in Panik geraten ist. Nach alldem, was wir
von ihm gehört haben, scheint er kein erfahrener Gewalttäter gewesen zu sein.
In solchen Extremsituationen handeln Menschen oft außerhalb jeglicher
Rationalität.«
    »Wenn dem so ist, bleibt mir rätselhaft, weshalb er
dann wohlüberlegt und zielgerichtet zum Kanal fährt, um sich dort der Leiche zu
entledigen. Und dabei sogar noch den klugen Gedanken im Hinterkopf hat, dass
mit etwas Glück der Tote auf Nimmerwiedersehen irgendwo in Europa
verschwindet.«
    »Eventuell ist er im ersten Schrecken ziellos durch
die Gegend gefahren, nur getrieben von dem Gedanken, möglichst weit weg von
seiner Wohnung zu kommen. Vielleicht hatte Reiche gar keinen Plan, und die Idee
mit dem Kanal ist ihm zufällig unterwegs gekommen. Möglicherweise hatte er
sogar nur vor, den Toten ins Wasser zu werfen, und das Schiff tauchte zufällig
unter ihm auf.«
    »Was wollen wir nun unternehmen?«, fragte Große Jäger.
    Bevor Christoph antworten konnte, mischte sich Mommsen
ein. »Wir haben zuerst noch eine unangenehme Aufgabe zu erfüllen. Uns liegt ein
Haftbefehl vor.«
    »Erzähl«, knurrte Große Jäger in der Vorahnung, dass
er an der Vollstreckung mitwirken musste.
    »Jörn Treinat, achtundzwanzig Jahre, wohnhaft in der
Süderstraße.«
    »Was liegt gegen den Mann vor?«
    »Sozialbetrug. Er hat gleichzeitig Arbeitslosenhilfe
und Erwerbsminderungsrente bezogen. Zwei Monate lang. Nach eigener Einlassung
lag eine Überschneidung vor. Er hat sich – angeblich – sofort beim Arbeitsamt
gemeldet, als die Rentenzahlung begann, und wollte das Geld zurücküberweisen.
Doch man hat ihm gesagt, er soll erst den Rückforderungsbescheid abwarten,
sonst kann man in einer solch großen Behörde den Zahlungseingang nicht buchen.
In der Zwischenzeit hat ihm der Gerichtsvollzieher das zwischengeparkte Geld
wegen ausstehender Unterhaltszahlungen gepfändet, sodass Treinat nicht zahlen
konnte. Das interessiert aber das Arbeitsamt nicht. Die werfen ihm stur Sozialbetrug
vor.

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