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Mordlicht

Mordlicht

Titel: Mordlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Und weil sich der Delinquent weigert, eine eidesstattliche Versicherung
abzugeben, liegt jetzt ein Haftbefehl gegen ihn vor.«
    »Sag mir, dass das nicht wahr ist«, ereiferte sich
Große Jäger. »Das ist doch wieder ein Ausbund an Bürokratie, da ist der
Einzelne machtlos.«
    Mommsen zuckte die Schultern. »Unser gesunder
Menschenverstand ist hier nicht gefragt. Also müssen wir unsere Pflicht tun,
auch wenn es uns ungerecht erscheint.«
    Der Oberkommissar lehnte sich in seinen Stuhl zurück,
verschränkte die Arme vor der Brust, machte einen Schmollmund und sah Christoph
an.
    »Da kannst du machen, was du willst. Für so etwas gebe
ich mich nicht her.«
    »Unsere persönlichen Empfindsamkeiten und Gefühle
spielen in unserem Beruf keine Rolle«, antwortete Christoph. »Wir sind nur
Erfüllungsgehilfen der dritten Macht im Staat.«
    »Ach nee!«, gab Große Jäger mit gedehnter Stimme
zurück. »Gestern Abend und heute Morgen hast du aber nicht so ausgesehen, als
würdest du völlig emotionslos deinen Job verrichten. Wie war das noch gleich
mit Auhagen? Hinter dieser Verhaftung steckt doch vielleicht genau so ein armes
Schwein. Und wir sollen uns zum Handlanger einer fragwürdigen Bürokratie
machen? Hier liegt doch kein objektives Verfahren vor. Wir machen uns zum
Büttel. Und im gleichen Atemzug wirft man uns Knüppel zwischen die Beine, wenn
wir die wirklich Kriminellen jagen. Dann dürfen wir dies nicht, jenes nicht. So
eine arme Sau wie den Treinat köpft man, aber wer der Hintermann bei dieser
ominösen Finanzberatung in Schleswig ist, dürfen wir aus Gründen der
Rechtsstaatlichkeit nicht eruieren. Ach, ihr könnt mich alle mal …«
    Wütend knallte Große Jäger mit dem Fuß die
Schreibtischschublade zu, die er wie gewöhnlich zum Parken seiner Füße
herausgezogen hatte.
    Bevor Christoph ihm antworten konnte, stand der
wuchtige Oberkommissar auf.
    »Gut«, schnaubte er, »okay! Ich bin ein braver
Polizist. Ich marschier jetzt mit Harm los und fang den Sozialbetrüger ein.«
Große Jäger hatte sich in Rage geredet. »Ich geh noch mal in Ruhe zur
Entwässerung. Dann kann’s losgehen.« Wie um seine Worte zu unterstreichen,
griff er sich mit der rechten Hand in den Schritt und führte dort jene Geste
aus, die von Frauen oft als typisch maskulin und geschmacklos beschrieben wird.
Dann verließ er das Büro.
    »Ich kann Wilderich verstehen, aber deshalb kann es
noch lange nicht in unserem Ermessen liegen, wann und wen wir verhaften und der
Justiz überstellen.«
    »Ja«, pflichtete Mommsen bei, »wie jeder hat auch
unser Beruf seine Schattenseiten.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Große Jäger
zurückkehrte. Er wirkte wie ausgewechselt. Sein unbändiger Zorn schien
verflogen.
    »Was ist nun? Wollen wir endlich?«, forderte er
Mommsen auf.
    Christoph sah den beiden nach. Dann beschloss er, sich
die Grünentaler Brücke und deren Umgebung aus der Nähe anzusehen, obwohl er
davon ausging, dort keine Spuren mehr zu finden.
    Da die beiden Kollegen mit dem Dienst-Kombi unterwegs
waren, fuhr Christoph mit seinem eigenen Fahrzeug. Er schalt sich selbst einen
Narren, als er unterwegs immer wieder in den Rückspiegel blickte, um sich zu
vergewissern, ob er eventuell verfolgt würde. Er konnte nichts Auffälliges
feststellen. Christoph wählte den Weg über die Eiderbrücke bei Tönning und die
schnurgerade durch die Marsch gezogene Bundesstraße, die westlich von Heide
direkt in die Autobahn überging. Hier oben im Norden hatte man, zumal um diese
Jahreszeit, die Autobahn streckenweise für sich allein. Unvorstellbar für
geplagte Autofahrer in den Ballungszentren, die oftmals in den Verkehrsnachrichten
die wenig tröstliche Information zu hören bekamen, dass der Stau vor ihnen
sechs oder mehr Kilometer betrage, aber eine Umleitung nicht zu empfehlen sei.
    Christoph fuhr den großen Bogen, der die Autobahn um
Heide herumführte. Rechts lag das markant aus der Landschaft herausragende
Areal der einzigen Erdölraffinerie Schleswig-Holsteins. Obwohl die freie
Autobahn der Traum eines jeden geschwindigkeitsbesessenen Fahrers hätte sein
können, reduzierte Christoph das Tempo, als er registrierte, dass der Westwind,
der über die freie Fläche blies, ihn Richtung Leitplanke trieb. Er bewunderte
den Mut, nein, eigentlich war es Leichtsinn, den der Fahrer eines leichteren
Autos bewies, der ihn überholte und es nicht als störend empfand, dass sein
Auto zwischen beiden Fahrspuren hin und her pendelte.
    Christoph

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