Mordlicht
des ›Pärchens‹ hinweisen.«
»Wenn die beiden Gewalttäter aus eigenem Antrieb oder
im Auftrag eine kriminelle Organisation errichten wollen, dann wäre es doch
denkbar, dass sie versuchen, neue Handlanger zu rekrutieren. Und wenn Reiche,
Auhagen und die anderen dazu auserkoren sind, die schmutzigen Arbeiten zu
erledigen?«
Christoph sah Große Jäger eine Weile an. So abwegig
waren die Gedanken des Oberkommissars nicht. Alle Beteiligten waren, jeder auf
eine andere Weise, gescheiterte Existenzen. Und plötzlich passte auch Manfred
Schöppe aus Schleswig ins Bild. Auch er war gescheitert. Die Staatsanwaltschaft
ermittelte gegen ihn wegen Betrugs.
»Die Strukturen der organisierten Kriminalität sehen
vor, dass spezialisierte Gruppen einzelne Aufgaben verrichten. Die eigentliche
Tat wird letztlich von den so genannten Soldaten verrichtet. Das sind Leute,
die erst kurz vor dem Raub, Überfall oder was auch immer geplant ist,
eingeflogen werden, die logistisch gut vorbereiteten Pläne der Hintermänner in
die Tat umsetzen und dann, mit einem ›Taschengeld‹ abgespeist, wieder in ihre
Heimat zurückkehren. Bisher agierten diese Banden immer mit osteuropäischen
Akteuren. Aber …«
»… im Zuge der Globalisierung«, wurde Christoph von
Große Jäger unterbrochen, »wandelt sich das Bild. Früher war die Ideenschmiede
bei uns, und der Osten diente als Werkbank. Jetzt wandelt sich das Bild. Das
Management kommt aus dem Osten und bedient sich der Hiesigen als Handlanger.
Und wer nicht freiwillig arbeiten will, auf den wird Druck ausgeübt. Das hat
die Russenmafia von Hartz IV übernommen.«
»Und welche Erklärung habt ihr für den Schatten, der
uns folgt? Der seit einiger Zeit der Polizei auf den Fersen ist?«, fragte
Mommsen.
»Osteuropäische Banden überlassen nichts dem Zufall.
Vielleicht wollen die wissen, wie weit wir sind. Sie möchten auf dem Laufenden
bleiben. Manchmal gelingt es, sich interne Informationen durch gekaufte Insider
zu beschaffen, durch käufliche Polizisten. Entweder hält uns die Gegenseite für
zu unbedeutend, dass man es noch nicht in Nordfriesland versucht hat, oder
vorsichtige Anbahnungen sind fehlgeschlagen.«
»Schade«, pflichtete Große Jäger bei, »wenn die Summe
hoch genug ist, würde ich den Gangstern bereitwillig alles über das Liebesleben
meiner beiden Kollegen offenbaren. Da wäre ich käuflich.«
In Mommsens Gelächter stimmte auch Christoph ein. Das
Gespräch mit seinen Kollegen hatte ihm gut getan.
»Und wodurch unterscheidet sich der Typ in Schleswig
von den anderen? Er hat den Offerten der Bande zugestimmt, deshalb geht es ihm
auch relativ gut«, nahm Große Jäger den Faden wieder auf. »Und hinter diesem
Rechtsanwalt in Liechtenstein, der als Treuhänder die Nordic Financial
Consulting verwaltet, steckt unsere russische Mafia. Und wie hängt die Freundin
von diesem Schöppe in der Sache drin? Diese Sabine Doppeldingsbums, die angeblich
irgendwo unter der Sonne segelt.«
»Ich vermute, dass der Dame nominell die
Vermögenswerte überschrieben wurden. Die ist wahrscheinlich nur eine
Strohpuppe, die nach außen in Erscheinung tritt.«
»Glaubst du?«, wandte Große Jäger kritisch in
Christophs Richtung ein. »Wann ist die Dame das letzte Mal gesehen worden? Und
wenn sie nun auf dem Grund irgendeines Sees der immer noch nicht
identifizierten Leiche aus Reiches Wohnung Gesellschaft leistet?«
»Du und deine Phantasie. Wenn das alles stimmen würde,
wäre Schleswig-Holstein schon längst ausgestorben – dahingemeuchelt.«
»Na ja, lieber Christoph, du solltest die Leute hier
an der Küste mit ihrer kriminellen Veranlagung nicht unterschätzen. Was glaubst
du, warum dieser Landstrich so dünn besiedelt ist«, scherzte Große Jäger und
reckte sich unter Ausstoß wilder Laute auf seinem Stuhl. »Bei aller
Gottesfürchtigkeit haben sie schließlich jahrhundertelang als Strandräuber
gelebt und fleißig gebetet: Lieber Gott, schenke uns einen Strand mit vielen
Untiefen und dumme Kapitäne.« Dann streckte der Oberkommissar noch einmal seine
Arme in die Höhe und holte tief Luft, um sich erneut zu strecken, wurde aber
mitten in seinem Tun vom Klingeln seines Telefons unterbrochen.
Er hörte eine Weile zu, sagte dann »Moment, ich frage
mal in die Runde« und sah abwechselnd seine Kollegen an. »Da ist ein Häschler
am Apparat, der will einen Heiligen sprechen.«
»Der heilige Johannes. Das bin ich«, antwortete
Christoph, »außerdem heißt der Mann Hessler und
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