Mordlicht
einen im Timpen. Ich sah die Lichter auf dem Parkplatz.
Der Mann trommelte an die Eingangstür und wollte sich nicht abweisen lassen,
als ich aufschloss. Weil die anderen Gäste ohnehin schon ziemlich alle waren,
habe ich ihm einen Kaffee und zwei Gammel Dansk ausgeschenkt. Er schien mir
sehr nervös zu sein. Ich habe ihn allerdings nicht weiter gefragt. Vielleicht
hatte er etwas mit dem Magen. Dafür könnte sprechen, dass er sich eine ganze
Weile auf dem Klo aufgehalten hat. Nach etwa zwanzig Minuten hat er bezahlt und
ist wieder gegangen.«
Christoph bedankte sich bei dem auskunftsfreudigen
Mann und notierte sich dessen Namen und Anschrift. Dieser Zeuge bestätigte,
dass sich der Abend so entwickelt haben konnte, wie sie sich das vorgestellt
hatten.
Aus einem nicht bekannten Grund war Reiche dann weiter
nach Husum gefahren und dort am nächsten Tag seinem eigenen Mörder begegnet.
Christoph fuhr nach Husum zurück. Unwillkürlich
behielt er den Rückspiegel im Auge, konnte aber niemanden entdecken, der ihm
folgte.
*
Von einem Papierstapel zu sprechen wäre unzutreffend
gewesen. Ein wüstes Durcheinander von losen Zetteln, Formularen, Aktendeckeln,
dazwischen willkürlich auseinander gerissene Teile der Husumer Nachrichten.
Mittendrin ein angelaufener Kaffeebecher … das war Große Jägers Schreibtisch.
Dem Zustand des Arbeitsplatzes war nicht zu entnehmen, ob der Oberkommissar nur
mal eben den Platz verlassen hatte oder außer Haus war. Eine glimmende
Zigarette im Aschenbecher deutete an, dass Große Jäger in einer der
Nachbarbüros unterwegs oder – wie er zu sagen pflegte – zum Entsaften war. Aber
ein Verlass war auf den Glimmstängel auch nicht. Oft genug hatte er die
Zigarette beim Davoneilen einfach vergessen.
»Hallo, Harm«, grüßte Christoph, als er zurückkam und
deutete mit einer Hand auf den Arbeitsplatz des Oberkommissars.
Mommsen verstand die Geste richtig. »Er hat gemurmelt,
er muss sich um ›Blödmann‹ kümmern, und ist von dannen gezogen.«
»Das entspricht sonst nicht seiner Art.«
Mommsen lachte. »Erklär mir bitte, was an unserem
Kollegen verlässlich ist, mit Ausnahme der Tatsache, dass du dich auf ihn
verlassen kannst.«
»Ward ihr erfolgreich bei der Vollstreckung des
Haftbefehls? Oder gab es Probleme?«
»Völlig unproblematisch. Jörg Treinat war nicht da.
Wir haben in der Wohnung eine junge Frau angetroffen. Die berichtete, dass
Treinat kurz zuvor den Telefonanruf eines Unbekannten erhalten und dann Hals
über Kopf die Wohnung verlassen hatte. Er fand nicht einmal Zeit, ihr eine
Erklärung abzugeben.«
Christoph nickte nur. »Tja« war sein ganzer Kommentar
dazu. Er konnte sich denken, wer der geheimnisvolle Anrufer war.
»Klaus Jürgensen hat sich zwischendurch gemeldet. Du
möchtest ihn bitte zurückrufen.«
Christoph betätigte die Kurzwahltaste auf seinem
Apparat.
»Jürgensen.«
»Hallo, Klaus. Harm sagte, ich …«
»Wenigstens einer, der bei euch arbeitet«, wurde
Christoph vom Leiter des Erkennungsdienstes unterbrochen, »während ihr anderen
die letzten Sonnenstrahlen des Herbstes genießt.« Dann hustete er.
»Vielleicht solltest du dich auch einmal in die Sonne
setzen, damit deine Erkältung verschwindet.«
»Würde ich gern, aber ihr lasst mir ja keine
Gelegenheit. Stets muss ich mich mit eurem Kleinkram herumplagen.«
»Das wäre eine gute Idee. Wir machen hier eine eigene
Kriminaltechnik auf. Dazu holen wir uns den besten Mann, den die Landespolizei
zu bieten hat.«
»Das geht nicht«, antwortete Jürgensen mit nasaler
Stimme, »du glaubst doch nicht im Ernst, dass mich irgendwer zu den wilden
Strandräubern an die Westküste locken kann. Selbst die Nordsee verschwindet
zweimal am Tag, um danach vorsichtig zu gucken, ob ihr noch da seid. Ihr nennt
diesen Vorgang schamhaft Ebbe und Flut. Wir haben Neuigkeiten vom Toten aus
Antwerpen«, wechselte er übergangslos das Thema. »Die Fingerabdrücke sind
eindeutig identisch mit den bisher nicht zuordenbaren Prints aus Reiches
Wohnung. Sie passen auch zu den Straftaten in Bad Vilbel, Dänemark und Lille.
Der Tote soll außerdem, so die Expertise der Belgier, Linkshänder gewesen
sein.«
»Vermutlich war er es dann auch, der den griechischen
Imbissbesitzer aus Heide verprügelt hat. Dessen Verletzungen deuteten auf einen
Linkshänder hin.«
»Kann schon sein. Gratuliere. Ihr habt Klarheit in
eine Reihe von Straftaten gebracht. Und sogar indirekt das Wunder vollbracht,
die Leiche zu finden. Damit
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