Mordloch
Sie Herrn Kruschke ruhig vertrauen können. Im Interesse dieser wunderschönen schwäbischen Eisenbahn.«
Das Ladengeschäft wirkte seriös und gediegen. Der Ex- und Import schien sich insbesondere auf Teppiche zu konzentrieren, stellte Häberle beim ersten Blick in die geräumigen Verkaufsräume fest, an die sich helle, gläserne Hallen anschlossen. In ihnen türmten sich stapelweise Teppiche, andere standen gerollt entlang der Wände. Dazwischen exotische Pflanzen und Bäumchen, die teilweise drei, vier Meter hochgeschossen waren und angenehme grüne Inseln bildeten.
Der Mann, der sich als Geschäftsführer Ismet Özgül vorgestellt hatte, bat die beiden Kriminalisten in ein seitlich gelegenes Büro und bot ihnen Plätze auf zwei Besucherstühlen an. Er selbst saß ihnen hinter seinem Schreibtisch gegenüber. Häberle war sofort klar gewesen: Bei dem Mann, der seinen Schnurrbart korrekt geschnitten hatte, musste es sich um jene Person handeln, die gegen Zollbestimmungen und gegen Steuergesetze verstoßen hatte und deshalb aktenkundig war. Häberle ließ seinen Blick über großformatige Fotos schweifen, die an den Wänden hingen. Moscheen waren abgebildet, irgendeine Hafeneinfahrt und eine typische Landschaft Kappadokiens. In der Luft hing der angenehme Duft von Räucherstäbchen.
»Wir bedauern sehr den plötzlichen Tod unseres geschätzten Kunden«, erklärte Özgül, nachdem ihn Häberle über den Grund des kriminalpolizeilichen Besuches aufgeklärt hatte. Der Geschäftsmann zeigte sich wenig beeindruckt davon – oder er konnte seine Anspannung geschickt verbergen. Er spielte mit einer Gebetskette.
»Ihr geschätzter Kunde«, griff der Kommissar die Bemerkung auf, »stand in engem Kontakt zu Ihnen?«
»Nicht sehr«, lächelte der Schnauzbärtige, »es hat nachgelassen. Er hat das Geschäft Sarah überlassen. Seiner Frau, müssen Sie wissen.«
»Und welcher Art von Geschäften hat er sich zugewandt?« wollte Häberle wissen, während Linkohr die Aufkleber auf den Aktenordnern zu entziffern versuchte, die hinter Özgül in einer Regalwand standen. Es war aber alles in türkischer Sprache gehalten.
»Es waren keine Geschäfte, die in unser Konzept passen«, entgegnete der überaus korrekte Türke, der sein leichtes Sommerjackett geöffnet hatte. »Tee? Möchten Sie Tee?« fragte er unversehens.
Die beiden Kriminalisten lehnten dankend ab. Häberle war es jetzt eher nach einem Weizenbier zumute.
»Und was, wenn ich fragen darf, passt in Ihr ... Konzept?« hakte der Chefermittler nach.
»Nun ja«, der Gesprächspartner lächelte sanft, »Ex- und Import aus dem Orient, wenn ich das so formulieren darf.«
»Teppiche«, gab Linkohr das Stichwort.
Özgül wandte den Blick von Häberle und schaute seinen jungen Kollegen an. »Natürlich Teppiche, selbstverständlich. Teppiche sind ein ganz typisches Exportprodukt meiner türkischen Heimat.«
Häberle griff in die Innentasche seiner leichten Jacke und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. Auf ihm befand sich die Vorderseite einer gefaxten Visitenkarte. Der Amstetter Postenbeamte hatte sie ihm geschickt. Häberle beugte sich zum Schreibtisch des Geschäftsführers, faltete das Papier auseinander und legte es ihm in Ruhe vor. Özgül griff ohne Erstaunen danach und schien zu lesen. Viel zu lange, wie die beiden Kriminalisten insgeheim dachten.
»Ein Geschäft in Istanbul«, stellte der Geschäftsmann kühl fest und reichte Häberle das Papier zurück. »Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
»Keine Kontakte dorthin?« fragte der Kriminalist, wohl wissend, dass er in jedem Fall auf Granit stoßen würde.
»Tut mir Leid«, entgegnete Özgül bestimmt.
»Und was würden Sie sagen, wenn die Ermittlungen ergäben, dass die Flemmings mit diesem Geschäft in Verbindung waren?« Häberle versuchte, hoch zu pokern.
»Haben die Ermittlungen denn das ergeben?« Der Türke wirkte aalglatt. »Vielleicht sollten Sie mir fairerweise einmal sagen, in welchen Verdacht Sie mein Unternehmen hineinziehen wollen.«
Der Kriminalist behielt den Mann hinterm Schreibtisch fest im Auge. »In überhaupt keinen«, sagte er, »es sind nur Routineüberprüfungen am Rande des Mordfalls.«
»Haben Sie sonst noch Fragen?« Reichlich frech, dachte Häberle, frech und unverfroren. Er war fest entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen, auch wenn möglicherweise wieder der Versuch unternommen wurde, ihm ausländerfeindliches Verhalten anzuhängen. Einige Male bereits hatte
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