Mordloch
sich der Baum so stark entwickeln kann. Außerdem dürfte so ein Teil dann durchaus zehn Jahre alt sein.«
»Das macht die Sache nicht gerade einfacher«, brummte Häberle, »womöglich wurde auch irgendwo so ein Ding gerade entsorgt, lag rum – und unser Täter hat sich’s geschnappt.«
»An Privatkunden, die so was daheim haben, konnte sich übrigens keiner der Gärtner entsinnen«, ergänzte Schmidt und beendete das Gespräch.
»In der WMF«, wiederholte Linkohr, als sie bereits die sonnendurchflutete Hochfläche erreichten. »Hatte nicht unser Westerhoff so viel Grünzeug rumstehen?«
»Richtig, scharf beobachtet, Kollege«, bestätigte der Chef-ermittler, »vielleicht sollten wir die bissige Frau Sekretärin mal fragen, ob sie vor kurzem das Grünzeug ausgeforstet hat.«
Kurz vor dem schienengleichen Bahnübergang vor Waldhausen hatte Häberle auf einen mit Heu beladenen Traktor-anhänger aufgeschlossen. Wahrscheinlich war’s schon der zweite Schnitt, das Öhmd also, dachte der Kriminalist, als er die Seitenfenster öffnete, um den Duft des Heus in sich aufzunehmen. Allerdings hatten sich die Diesel-Abgase des Traktors darunter gemischt. »Riechen Sie das?« fragte er seinen Kollegen. »Typisch Landwirtschaft um diese Jahreszeit. Heu und Diesel.« Häberle schien es inhalieren zu wollen.
»Und bald auch Schweine«, grinste Linkohr, »wenn der Wühler nicht vorher klein beigibt. Ich könnte mir vorstellen, dass die ihn hier ziemlich mürbe machen.«
Häberle überholte und hatte nach einer Minute Flemmings Haus in der ›Roßhülbe‹ erreicht. Er stellte den Wagen vor dem Gebäude ab. Die beiden Kriminalisten klingelten mehrmals an der Tür. Häberle blickte sich um und bemerkte hinterm Vorhang des Nachbarhauses ein Frauengesicht. Linkohr war unterdessen zur angebauten Garage gegangen, um durch das seitliche Fenster hineinzublicken. »Kein Auto drin«, stellte er fest, als er wieder zurückkam.
»Fragen wir doch die Aufpasserin von nebenan«, entschied der Kommissar grinsend und ging, vorbei an blühenden Blumenstauden, zum Nachbarhaus. Schon nach dem ersten Klingeln öffnete sich die Tür und eine ältere Dame erschien, die offenbar nur darauf gewartet hatte, etwas gefragt zu werden.
Häberle stellte sich und seinen Kollegen vor und wollte von der Frau wissen, wann sie ihre Nachbarin zuletzt gesehen habe.
»Das ist schon ein paar Tage her«, begann die Rentnerin voll Elan, »ich hab’ mich gewundert, was die so Wichtiges auswärts zu tun hat, jetzt, wo ihr Mann tot ist. Aber die Flemmings waren oft weg. Tagelang, manchmal ganze Wochen. Aber jetzt haben sie wohl jemand, der nach dem Rechten sieht.«
Häberle stutzte. »Wie kommen Sie denn da drauf?«
»Na ja«, sie trat einen Schritt aus dem Hausflur heraus, um das Nachbargebäude sehen zu können, »gestern Abend war jemand da. Zwei Männer waren’s, die so gegen Mitternacht herausgekommen sind. Ich hab’s natürlich nur zufällig gesehen«, lächelte sie vielsagend. »Sie haben die Tür verschlossen und sind die Straße runtergegangen.« Sie deutete mit dem Kopf aus dem Neubaugebiet hinaus. »Wissen Sie«, fuhr sie fort, ohne gefragt zu werden, »gewundert hat mich hinterher aber, dass da gar kein Licht im Haus gebrannt hat. Das hätte man sehen müssen, denn die Rollläden sind nicht geschlossen. Und dann war da noch was, nur weiß ich nicht, ob ich Ihnen das sagen darf ...«
Die Kriminalisten sahen sich staunend an.
»Sie dürfen uns alles sagen«, erklärte Häberle mit sonorer Stimme, ganz langsam, fast väterlich, »wir behandeln alles vertraulich.«
»Na ja, nicht, dass Sie jetzt meinen, ich sei neugierig und ein Tratschweib«, wieder lächelte sie verlegen, »aber man guckt sich halt um und achtet auf die Umgebung. Das empfehlen sie doch auch immer bei ›Aktenzeichen XY‹, stimmt’s?« Ohne auf eine Antwort zu warten, erzählte sie weiter: »So gegen zehn, es war gerade richtig dunkel, ist da einer ums Haus geschlichen.«
»Ach?« entfuhr es dem Kommissar, »und Sie haben gesehen, wer es war?«
Sie nickte eifrig und trat näher an die beiden Männer heran. Dann flüsterte sie geheimnisvoll: »Der Westerhoff war’s, der Westerhoff von da drüben.« Sie wies mit dem Kopf zur weiterführenden Wohnstraße.
35
»Da haut’s dir’s Blech weg«, kommentierte Linkohr, als sie im Laufe des Tages erfuhren, woher der anonyme Anruf am Vormittag gekommen war. Schmidt hatte es mit Hilfe der Telekom und dem Handyanbieter »Vodafone«
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