Mordrausch
ist ausgeflippt und hat sich auf uns gestürzt, weil er sauer darüber war, dass ihm ein Auftrag entgangen ist. Gott, stinke ich nach dem Kerl!«
Weather verschränkte erneut die Arme. »Virgil hat mir von dem französischen Akzent erzählt. Wenn du auch nur eine Sekunde glaubst, Gabe hätte was mit dem Überfall zu tun …«
»Aber nein«, versicherte Lucas ihr. »Ich habe Virgil bereits auf andere Leute mit französischem Akzent angesetzt.«
»Gut. Das hat Virgil mir schon gesagt. Er hat mir allerdings auch geraten, mich nicht allein in Gesellschaft von Gabe aufzuhalten, was bedeutet, dass er ihn verdächtigt. Ich habe Virgil deswegen angeschrien, aber er wollte nicht nachgeben. Du weißt ja, wie stur er sein kann.«
Lucas dankte insgeheim seinem Schöpfer. »Ich rede mit ihm.«
»Tu das«, sagte sie und fügte hinzu: »Und lobe ihn ja nicht hinter meinem Rücken, dass er das Richtige tut.«
»Nein, natürlich nicht«, log Lucas. Sie hörten Shrake auf dem Klavier »White Christmas« spielen. »Würdest du mit raufkommen und mir den Rücken schrubben?«, fragte Lucas. »Der tut mir weh.«
»Nein, weil du dich dann auf mich stürzt, um dich zu vergewissern, dass du lebst. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich noch sauer auf dich bin.«
»Ich wünsche mir nur ein wenig Trost«, jammerte Lucas.
»Ich fahre ins Regions und tröste Del«, erklärte Weather. »Ich wette, Cheryl flippt aus. Und du rufst Virgil an.«
»Nimm Shrake mit.«
Shrake spielte eine jazzige Version von »Stille Nacht«. Leider konnte er nur Weihnachtslieder, und zwar in einem einzigen Stil.
»Und Jenkins«, sagte Weather. »Jenkins fährt ständig um den Block rum. Das Ganze treibt mich noch in den Wahnsinn.«
»Wahnsinn ist besser als tot«, erwiderte Lucas und roch an seinem Ärmel. »Gott, hat der Kerl gestunken! Weißt du was? Manche Menschen stinken einfach.«
ELF
Z wanzig Minuten vor dem Ende von Barakats Schicht wurde ein Junge, Opfer eines Verkehrsunfalls, eingeliefert. Er hatte Schnittverletzungen an der Stirn, und sein Bauch fühlte sich seiner Aussage nach »ziemlich schlimm« an.
Als Barakat die Umstände des Unfalls aufnahm, erfuhr er, dass der Junge auf dem Beifahrersitz an einem Laptop gearbeitet hatte, der beim Aufprall des Wagens in seinen Unterleib gerammt worden war. Vermutlich, dachte Barakat, hatte es die Leber erwischt. Er unterhielt sich kurz mit der Mutter, die unter Schock stand, schickte den Jungen durch die CT, weckte den Radiologen und alarmierte für alle Fälle einen Chirurgen.
Als alles so weit organisiert war, hatten sich beinahe zwei Überstunden angesammelt, für die er nicht bezahlt werden würde. Er ging in den Umkleideraum, zog seine Straßenkleidung an und schnupfte eine Linie Koks, um wieder munter zu werden. Er hasste Überstunden.
Noch eine Linie, dann wusch er sich das Gesicht, schlüpfte in die Schuhe und machte sich auf den Weg nach draußen. Auf dem Flur klopfte ihm einer der Ärzte auf die Schulter und sagte: »Gute Arbeit. Der Junge wird gerade in den OP gebracht.«
»Prima«, erwiderte Barakat. »Das hatte ich erwartet.« Ein wenig Eigenlob, kombiniert mit dem diskreten Aufbau von Seilschaften, würde ihm vielleicht helfen, nach Paris zu kommen.
Oder zumindest nach L.A.
Als er die Parkgarage erreichte, war es dunkel und kälter als am Morgen. Der Wind blies aus Nordosten, was, das hatte er aus örtlichen Wettervorhersagen gelernt, bedeutete, dass es möglicherweise schneien würde. Er stellte frierend den Jackenkragen hoch und hastete zu seinem Wagen.
»Hallo, Bruder.«
Cappy stieg aus einem weißen Van nicht weit von Barakats Auto entfernt. Barakat erstarrte: Hatte Cappy Lyle Mack von ihrem Gespräch am Morgen erzählt, und hatte Lyle Cappy losgeschickt, um das Problem zu lösen? Außer ihnen hielt sich niemand in der Parkgarage auf; sie waren allein in der Dunkelheit.
»Weißt du, dass dein Wagen auf einem Ärzteparkplatz steht?«, fragte Barakat. »So fällst du gleich auf.«
Cappy trottete zu ihm. »Keine Sorge, ich bin nicht da, um dich umzubringen.« Er grinste. »Das hast du doch gerade gedacht, oder?«
Barakat verkniff sich eine direkte Antwort. »Was rauchst du denn da für ein schreckliches Kraut? Stinkt wie Feuer auf einer Müllhalde.«
Cappy sah seine Zigarette an. »Camel.«
»Gib sie mir«, forderte Barakat ihn auf. Er nahm die Zigarette, ließ sie fallen und trat sie aus. »Probier eine von denen hier.« Er schüttelte eine Gauloise aus der Packung.
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