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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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einen von denen. Die ticken komplett anders. Die sehen vieles einfach nicht. Die bringen sich blind in Gefahr, einfach so.«
    »Ja, vielleicht ist es das.«
    Jungs Zweifel waren nicht ausgeräumt. Das Ganze verursachte ihm Unbehagen.

Mittagessen
     
    Auf dem Gang zum Logis des Kommandanten kamen ihm die Staatsanwälte entgegen.
    »Wo sind Sie gewesen, Jung?«, begrüßte ihn Halsbenning.
    »Ich habe die Damentoilette gesucht«, antwortete Jung scheißfreundlich.
    »Und? Haben Sie sie gefunden?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Dann suchen Sie mal schön weiter«, erwiderte Halsbenning humorlos. »Wir gehen jetzt Mittagessen.«
    »Guten Appetit«, wünschte Jung.
    Er sah ihnen hinterher. Die Laufmasche am linken Knöchel der Staatsanwältin war verschwunden. Wie hatte sie das hinbekommen? Führte sie Ersatzstrümpfe mit sich? Hatte sie das Damenklo schon allein gefunden?
    Halsbenning wirkte noch müder als in der Frühe. Jung schien das völlig normal, wenn er an sein Arbeitspensum dachte. Er verspürte einen Hauch von Mitleid mit den Staatsanwälten.
     
    *
     
    Charlotte war mit dem Kommandanten in seiner Kajüte geblieben. Der Kapitän hieß Jung willkommen wie einen alten Bekannten.
    »Warum sind Sie gegangen? Ich hätte Sie lieber dabei gehabt.«
    »Ich bin nur der Berater der Staatsanwälte. Mit den Untersuchungen habe ich, streng genommen, überhaupt nichts zu tun.«
    »Berater? Für was?«, fragte der Kapitän mit einer Mischung aus Ärger und Unverständnis in der Stimme.
    »Für Marinefragen.«
    »Das haben die beiden auch bitter nötig.«
    »Fühlen Sie sich etwa missverstanden, Herr Kapitän?«, fragte Jung freundlich.
    »Mein Offizier hat sich nicht gerade geschickt angestellt. Aber lassen wir das.« Er winkte verächtlich ab. »Ich habe Hunger. Sie auch? Wir nehmen vorweg einen Aperitif. Was mögen Sie? Sherry oder Port?«
    Sie entschieden sich für Sherry.
    »Glückwunsch. Ich kann Ihnen einen Fino von Byass anbieten.« Er griff zum Telefon.
    »Wissen Sie, was Hugh Johnson von Sherry hält?«, ging Jung schmunzelnd auf die Ankündigung des Kapitäns ein.
    »Wer ist das?«
    »Der Weinpapst.«
    »Na gut. Hoffentlich sagt er nichts, was ich nicht hören will.«
    »Er meint, Sherry ist ein belebender Aperitif, von dem man erstaunlich viel trinken und sich dennoch lebendiger denn je fühlen kann.«
    »Das beruhigt mich ja«, brummte der Kapitän und wählte.
    »Der Sherry wird gleich da sein.« Er lud sie mit einer Geste ein, am Tisch Platz zu nehmen. »Es gibt heute Labskaus wie vor 100 Jahren. Altes Seemannsgericht. Ein Originalrezept. Mit Spiegelei, Rollmops und Rote Bete.«
    »Das passt ja gut zusammen«, entgegnete Jung.
    »Was passt?«
    »Ein Windjammer und 100-jährige Tradition.«
    »Ach so! Ja, kommt drauf an, wie man’s nimmt.«
    Sie setzten sich an den Tisch und machten es sich bequem.
    »Als ich heute Morgen über das Schiff ging, habe ich mich gefragt, ob Windjammer überhaupt noch in unsere Zeit passen«, führte Jung das Gespräch fort.
    »Die Frage wird immer öfter gestellt«, ging der Kapitän auf ihn ein, »sie wird aber deswegen nicht sinnvoller.«
    »Sie sind vom Gegenteil überzeugt. Warum?«
    »Weil wir die Offiziersanwärter mit Erfahrungen und Kenntnissen ausstatten, die sie als zukünftige Truppenführer dringend brauchen.«
    »Brauchen? Für was?«
    »Um Krieg zu führen und zu überleben.«
    »Krieg führen?« Jung zog die Augenbrauen hoch. »Das sagen Sie doch nicht laut, oder?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber machen wir uns doch nichts vor: Leben heißt Krieg führen, Herr Jung. Die sogenannte Zivilisation ist ein äußerst trügerischer Geselle. Und sehr dünnhäutig. In Wahrheit tobt der Kampf wie vor 1000 Jahren: Arm gegen Reich, Hunger gegen Überfluss, Freiheit gegen Terror, Ost gegen West, Christen gegen Muslime, Dummheit gegen Geist und so weiter. Womit wir schon wieder beim Thema wären«, erwiderte der Kapitän seufzend.
    »Was meinen Sie?«
    »Den Tod der Kadettin.«
    »Was hat der damit zu tun, Herr Kapitän?«
    »Ich möchte nicht missverstanden werden. Und ich möchte nicht irgendwo, aus dem Zusammenhang gerissen, zitiert werden, Herr Jung.«
    »Was Sie sagen, bleibt unter uns. Übrigens auch das, was ich oder Frau Bakkens sagen. Können wir uns darauf verständigen?«
    »Also gut.« Der Kapitän richtete sich auf. »Es war ein Unfall, herbeigeführt durch das Unvermögen der Kadettin. Sie können auch Schwäche, Dummheit oder Schlafmützigkeit dazu sagen. Ungewollt,

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