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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Sie mir bitte kurz, welche Aufgaben Sie meinen?«
    »Das Schiff sicher von A nach B zu bringen und die Kadetten auszubilden, damit … «
    »Genau das ist Ihnen ja nicht gelungen, Herr Oberleutnant, sonst wäre unser Aufenthalt auf Ihrem Schiff nicht nötig«, schaltete sich Halsbenning wieder ein.
    »Ich bin nicht für alles verantwortlich. Meine Aufgaben habe ich nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt.«
    »Darüber steht ein Urteil noch aus. Und das war auch nicht meine Frage. Noch einmal: Waren Sie im Vollbesitz Ihrer körperlichen und geistigen Kräfte?«
    »Ja.«
    »Frau Kollegin«, wandte er sich erneut an seine Nachbarin, »erinnern Sie mich bitte daran, den Ersten Offizier dazu zu befragen.«
    Sie nickte.
    »Jetzt zum nächsten Punkt. Als Sie den Schrei hörten, wo waren Sie da genau?
    »Ich stand im Steuerbordwachstand.«
    »Auf dem Oberdeck vor dem Kartenhaus?«
    »Korrekt.«
    »Und Sie konnten den Schrei trotz des herrschenden Sturms und der tosenden See deutlich hören?«
    »Das Wetter war optimal. Wir machten ordentlich Fahrt … «
    »Das wollte ich nicht wissen. Ich wollte wissen, ob Sie unter Umständen einen Hilferuf überhört haben könnten.«
    »Es herrschte kein Sturm. Die See war aufgewühlt, aber nicht gefährlich. Die Geräusche waren völlig normal.«
    »Normal? Offensichtlich war gar nichts normal, sonst hätte es keinen Unfall gegeben.«
    »Also, Sie sehen das … «
    »Was ich sehe oder nicht, ist hier nicht gefragt. Die Frage ist, ob Sie einen Hilferuf überhört haben könnten.«
    »Ich habe nur einen einzigen Schrei gehört. Sonst nichts.«
    »Könnten Sie anderweitig abgelenkt gewesen sein?«
    »Ich ging Wache. Glauben Sie … «
    »Was ich glaube, steht hier nicht zur Debatte. Zur Debatte steht, ob Sie sich ausschließlich auf Ihre Arbeit konzentrierten. Haben Sie das?«
    »Natürlich. Was wollen Sie mir unterstellen? Ich muss … «
    »Der Staatsanwalt will Ihnen gar nichts unterstellen«, versuchte die Riedel, die Lage zu entspannen. »Aber es liegt doch nahe, dass Sie zum Beispiel mal telefoniert haben könnten. Sie segelten in Küstennähe, also in Reichweite terrestrischer Handynetze. Da bietet es sich doch einfach an, mit seinen Lieben Kontakt aufzunehmen. Sie waren lange von zu Hause weg. Wie lange eigentlich?«
    »Fünf Monate, zwei Wochen und drei Tage.«
    »Sehen Sie, das ist doch Grund genug, nicht wahr?«
    »Das Telefonieren mit privaten Handys ist verboten. Werden Sie dabei erwischt, setzt es Disziplinarstrafen. Als Wachgänger muss man noch Schlimmeres befürchten.«
    »Sie haben also nicht telefoniert?«
    »Nein.«
    »Da sollten wir bei den anderen noch mal nachhaken, Frau Kollegin«, übernahm Halsbenning wieder das Verhör. »Kommen wir zum nächsten Punkt. Wer war außer Ihnen noch an Oberdeck?«
    »Die beiden Rudergänger.«
    »Erinnern Sie sich sich an ihre Namen?«
    »Ja«, erwiderte der Offizier pampig.
    »Und?«, setzte Halsbenning gereizt nach. »Wie hießen sie?«
    »Jens Eilers und Bastian Wötzel.«
    »Beides junge Kadetten. Richtig?«
    »Ja.«
    »Frau Kollegin, suchen Sie bitte die Aussagen der Rudergänger in den Akten heraus. War noch jemand anwesend?«
    »Nicht auf dem Oberdeck.«
    »Wo sonst?«
    »Im Kartenhaus.«
    »Und die beiden Rudergänger hörten den Schrei zur gleichen Zeit wie Sie?«
    »Nur einer.«
    »Warum nur einer?«
    »Der andere hatte sich zu einem Toilettengang ordnungsgemäß abgemeldet.«
    »Eben sagten Sie noch, Sie wären zu dritt auf dem Oberdeck gewesen?«
    »Ja, das ist korrekt, bis auf die paar Minuten.«
    »Wer von den beiden hatte sich abgemeldet?«
    »Bastian Wötzel.«
    »Na gut. Lassen wir das. Kommen wir … «
     
    *
     
    Jung erhob sich, nickte dem Kommandanten kurz zu und verließ den Raum. Er wusste, wie es weitergehen und enden würde. Er wollte nicht mehr dabei sein. Ihn quälte der Gedanke, als liefe hier irgendetwas völlig schief. Er rief sich ins Gedächtnis, dass er nicht mitgekommen war, um Fragen zu stellen und schon gar nicht, um Antworten zu geben. Er war in dieser Funktion unerwünscht, das hatte man ihm deutlich zu verstehen gegeben. Dennoch ließen die Fragen ihm keine Ruhe.
    Er ging den engen Gang von der Kabine bis nach vorn zum Schott, das aufs Arbeitsdeck führte. Draußen wimmelte es von Matrosen, die das Deck schrubbten oder mit Farbeimern, Pinseln und Putzlappen unterwegs waren. Er überquerte die in Seifenlauge schwimmenden Planken in Richtung Vorschiff. Die jungen Männer machten bereitwillig

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