Mordsee
zurzeit will ich nichts davon wissen. Ich habe genug Scherereien am Hals. Sie verstehen?«
»Ja. War nur eine Frage.«
Der Kapitän machte Anstalten, sich zu erheben. Charlotte und Jung tranken ihre Tasse leer und standen auf.
»Vielen Dank für die Einladung. Es hat sehr gut geschmeckt. Mein Kompliment an den Koch«, leitete Jung die Verabschiedung ein.
»Danke. Ich werde das an den Smut weitergeben. Hat mich gefreut. Kann ich noch etwas für Sie tun?«
»Gibt es für Charlotte und mich ein Plätzchen, wo wir ungestört reden können?«
»Ich würde Ihnen meine Kajüte anbieten, wenn die Staatsanwälte nicht wären. Die Messe ist auch besetzt.«
Der Kapitän sah auf die Uhr. »Dienstausscheiden ist schon gewesen. Die meisten sind bereits an Land. Vielleicht gehen Sie aufs Achterdeck. Auf der Bank am Maschinenruderhaus sind Sie jetzt allein.«
»Danke. Wie kommen wir dahin?«
»Ich zeig’s Ihnen. Folgen Sie mir.«
Am Klavier
Über der Unterstadt, die sich auf dem Ufer zwischen Steilhang und Strom drängelte, ragten die gewaltigen, grün bedachten Bauten des Chateau Frontenac und des Edifice Price in den blauen Himmel. Jung stand an der Reling und schaute fasziniert auf das majestätische Panorama.
»Von hier aus gesehen denkt man tatsächlich an Frankreich. Was meinen Sie, Charlotte?«
»Wir sind doch nicht hier, um Sehenswürdigkeiten zu diskutieren. Hab ich recht, Chef?«
»Natürlich. Setzen wir uns«, seufzte er und wandte sich ab. Sie nahmen auf der kunstvoll gearbeiteten Holzbank längsseits des Maschinenhauses Platz. Die Sonne schien ihnen ins Gesicht. Jung kniff die Augen zusammen.
»Wann fliegen wir zurück? Haben Sie heute Morgen etwas gehört, Charlotte?«
»Ja. Der Kapitän gab bekannt, dass der wöchentliche Regierungsshuttle von Washington nach Köln hier zwischenlanden und uns mitnehmen wird. Der nächste geht in ein paar Tagen. Falls die Staatsanwälte länger brauchen, eine Woche später.«
»Es wird also nichts mit einer schnellen Rückreise.«
»So sieht es aus, Chef.«
Jung schloss die Augen und drehte das Gesicht in die Sonne. »Was machen wir mit der verbleibenden Zeit?«, murmelte er.
»Arbeiten. Ich wüsste auch schon, an was«, stellte Charlotte fest.
»Dann wissen Sie mehr als ich. Also, schießen Sie los.«
»Ich komme mir ziemlich blöd vor.« Sie schwieg und wartete auf eine Reaktion.
»Das hätte ich nicht unbedingt von Ihnen erwartet, Charlotte«, lachte Jung. »Warum?«
»Ihre Tatversion finde ich irgendwie interessant. Wir sollten ihr nachgehen.«
»Ach so!« Er lächelte. »Und wie machen wir das, Frau Kriminalkommissarin?«
»Wir müssten mehr über die Tote herausfinden.«
»Sehr gut. Ihr Vorschlag?«
»Was gibt es an persönlichen Dokumenten, frage ich mich.«
»Das habe ich Sie auch schon einmal gefragt. Sie erinnern sich?«
»Ja.«
»Dann fangen wir damit an.«
»Das Obduktionsprotokoll.«
»Näher kann man ihr nicht kommen.«
»Die Auflistung ihrer Habseligkeiten.«
»Genau. Da erfahren wir mehr über sie.«
»Wir sollten die Liste mit ihren Eltern abgleichen und sie dazu befragen.«
»Hat sie Eltern?«
»Natürlich.«
»Ich meinte, hat sie Eltern, die wir befragen können.«
»Das müsste sich herausfinden lassen.«
»Ich könnte einen Kollegen von mir aus der Inspektion bitten.«
»Wenn sich etwas findet, das Ihre Version stützt, können wir gezielt weitermachen.«
»Einverstanden.« Er rieb sich die Nasenwurzel. »Wie kommen wir an die Dokumente? Ich will die Staatsanwälte nicht damit behelligen. Wenn nichts dabei herauskommt, ist es besser so. Also, haben Sie eine Idee?«
»Ich kann übers Internet mit Deutschland in Kontakt treten. Wer kann uns die Dokumente zumailen?«
»Mein Vertrauensmann in der Inspektion.«
»Vielleicht hatte sie auch eine Seite bei Facebook, Twitter oder war in irgendeinem anderen Network aktiv.«
»Gut. Kümmern Sie sich darum. Ich werde mit meinem Freund in Flensburg telefonieren. Er kann an die Dokumente kommen und uns Kopien schicken. Bleibt die Frage nach dem Täterkreis. Charlotte, sagen Sie etwas dazu.«
»Der Täterkreis steht fest. Der Wachoffizier und der eine Rudergänger sind aus dem Schneider, meiner Meinung nach. Jeder andere kommt theoretisch infrage. Wer von ihnen hat mit der Toten näheren Kontakt, wer eine Freundschaft, wer eine Feindschaft, wer ein Verhältnis.«
»Das wird schwierig. Die Kadetten sind lange von Bord. Aber wir haben ihre Aussagen in der Akte. Unter der
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