Mordsfreunde
keine Ahnung, was er mir, meinem Vater und unseren Söhnen angetan hat!«
»Gerlinde, bitte nimm die Waffe runter«, sagte Bock nun mit mühsam beherrschter Stimme. »Ich erkläre dir alles. Ich habe nichts ...«
»Du hältst dein Maul«, unterbrach seine Frau ihn grob und versetzte ihm einen Schlag mit der Waffe auf den Kopf. »Du hast mich lange genug für blöd gehalten.«
›Deeskalation‹, dachte Bodenstein. Aber wie konnte er Frau Bock davon überzeugen, ihm die Waffe auszuhändigen? Reden. Sie musste immer weiter reden. Die Frau war keine eiskalte Killerin. Hätte sie ihren Mann wirklich erschießen wollen, dann hätte sie das sofort und ohne zu zögern getan. Je mehr sie redete, umso größer war die Chance auf eine Gelegenheit, ihr die Waffe abnehmen zu können. Bodenstein blickte auf und begegnete dem Blick von Ivo Percusic. Er signalisierte Svenjas Stiefvater mit den Augen, bloß den Mund zu halten.
»Meinen Vater hast du ins offene Messer laufen lassen«, fuhr Frau Bock unterdessen fort und unterstrich jedes Wort mit einem Stoß der Revolvermündung gegen den Kopf ihresGatten. »Am ausgestreckten Arm wolltest du mich verhungern lassen! Du hast wohl gedacht, ich wüsste nicht, wie du wirklich bist, du Dreckschwein! Aber jetzt bist du zu weit gegangen. Du hast meinen Sohn umgebracht, weil du Angst hattest, dass er dir Schwierigkeiten macht. Sag es schon! Gib es zu!«
Dr. Carsten Bock verzog sein hageres Gesicht zu einer unwilligen Grimasse. Er machte nicht den Eindruck, als würde er vor Angst zittern.
»Ich gebe zu, dass ich mit diesem Mädchen eine Affäre hatte«, sagte er mit heiserer Stimme. »Aber mit Jonas' Tod habe ich nichts zu tun.«
»Ich glaube dir kein Wort«, Gerlinde Bock lächelte hasserfüllt, ihre Augen glänzten wie im Fieber, aber die Hände, die die Waffe hielten, zitterten nicht. »Du warst an dem Abend nicht in München, das weiß ich genau!«
»Frau Bock, geben Sie mir die Waffe. Bitte«, Bodenstein streckte bittend die Hand aus. »Alles, was Sie jetzt von Ihrem Mann bekommen, ist ein erzwungenes Geständnis, das vor einem Gericht keinerlei Bedeutung haben wird. Lassen Sie mich mit ihm sprechen.«
Ihre Augenlider flatterten, sie zögerte.
»Du hörst doch, was er sagt«, Bock richtete sich auf und machte einen verhängnisvollen Fehler, indem er den Hass seiner gedemütigten Ehefrau unterschätzte. »Tu jetzt endlich den verdammten Revolver runter, du blöde Kuh!«
Ein Zug der Entschlossenheit zuckte um ihren Mund, dann drückte sie ab. Bodenstein reagierte im Bruchteil einer Sekunde. Er versetzte ihrem Arm einen Stoß, der Schuss krachte ohrenbetäubend laut, aber die Kugel traf statt des Hinterkopfes von Bock nur ein Bücherregal. Gerlinde Bock taumelte vom unerwarteten Rückstoß der Waffe, und Bodenstein gelang es, ihr den Revolver abzunehmen. Da begann die Frau hysterischzu kreischen, sie fiel auf die Knie und trommelte mit beiden Fäusten auf den Boden. Gleichzeitig stürmten die Polizisten, die Bodenstein angefordert hatte, in die Bibliothek. Bock und Percusic ließen sich widerstandslos abführen, Frau Bock beruhigte sich erst, als ihr Mann verschwunden war. Bodenstein ging neben ihr in die Knie und legte seine Hand auf ihre knochige Schulter.
»Warum haben Sie das getan«, flüsterte sie unter Tränen, »warum haben Sie mich daran gehindert, dieses Schwein zu erschießen?«
»Seien Sie froh, dass ich Sie daran gehindert habe«, erwiderte Bodenstein, »Ihr Sohn Benjamin braucht Sie. Ihr Mann wird nämlich eine ganze Weile im Gefängnis sitzen.«
Bodenstein trank die sechste oder siebente Tasse Kaffee, als Pia sein Büro betrat. Sie sah blass und mitgenommen aus, nicht viel besser als er selbst.
»Es tut mir leid«, wiederholte sie das, was sie vorhin am Telefon schon zu ihm gesagt hatte. »Ich hatte das Handy im Auto liegen lassen.«
»Schon okay«, Bodenstein stieß einen Seufzer aus.
»Hat Bock etwas über Svenja gesagt?«, fragte Pia.
»Er hatte wirklich ein Verhältnis mit ihr, aber er weiß angeblich nicht, wo sie jetzt ist. Dass er etwas mit der Ermordung seines Sohnes zu tun hat, streitet er ab. Die Kollegen vom K30 sind auf dem Weg hierher. Sie werden heute alle verhaften, die sich von Bock haben korrumpieren lassen.«
»Und wo ist Frau Bock?«
»In der Psychiatrie in Höchst«, Bodenstein nippte an seinem Kaffee und verzog das Gesicht. »Mein Gott, das war knapp. Um ein Haar hätte sie ihren Mann erschossen.«
»Wie ist es überhaupt so weit
Weitere Kostenlose Bücher