Mordsfreunde
hingekriegt, diesen Server mit einem anderen zu vernetzen, der über ein Portal irgendwo im Ausland sitzt. Da kommen die Bullen ... äh ... die Polizei nie drauf.«
Franjo stieß einen Seufzer aus.
»Wir konnten uns nicht mehr retten vor Anfragen. Nicht zu glauben, was die Leute für ein Geld ausgegeben haben, nur um einer von den Killern sein zu können. Ein Waffenschein kostet hundert Euro, die Waffenscheine konnte nur der Pate ausstellen.«
»Lukas?«, vermutete Ostermann, und Franjo nickte.
»Was passiert mit denen, die erschossen wurden?«
»Man ist für vierundzwanzig Stunden gesperrt, die Figur wandert so lange ins Verlies der Burg. Man kann sich freikaufen – oder warten.«
»Aber das Geld ist doch nur virtuell, oder nicht?«
»Nein. Man kann es sich auf sein Konto auszahlen lassen«, Franjo lächelte bitter, » Double Life ist eine Goldgrube. Und deshalb gab es Krach.«
Bodenstein saß an seinem Schreibtisch und schob die Akten über Jonas Bock und Pauly zur Seite, nachdem er sie wieder und wieder in der vergeblichen Hoffnung auf eine neue Erkenntnis oder einen Geistesblitz durchgeblättert hatte. Obwohl Bodenstein ehrliches Mitleid mit Lukas verspürte, misstraute er ihm. Er hatte wissentlich noch nie Umgang mit einem ›Multiplen‹ gehabt, konnte also auch nicht beurteilen, ob Lukas' eigenartiges Verhalten ein Symptom dieser psychischen Störung oder nur ein perfektes Theaterspiel war. Sicherheitshalber hatte Bodenstein dafür gesorgt, dass ein Streifenwagen vor dem Haus der Sanders stand, in dem er Lukas zurückgelassen hatte. Die offizielle Begründung für die Anwesenheit der Polizei war der Schutz vor Neugierigen oder aufdringlichen Reportern. In Wahrheit wollte Bodenstein wissen, ob Lukas das Haus verließ oder nicht. Er war der einzige Angehörige von Heinrich van den Berg, der Einzige, der ein Interesse an seinem Tod haben konnte. Aus dem Krankenhaus gab es nichts Neues. Van den Bergs Zustand hatte sich etwas stabilisiert, aber er war noch immer ohne Bewusstsein. Die Ärzte konnten nicht beurteilen, ob er durch die schweren Kopfverletzungen bleibende Schäden davongetragen hatte oder nicht. Ein heißer Windstoß fuhr durchs Fenster herein und wirbelte die Verhörprotokolle der Erntearbeiter vom Elisabethenhof von Bodensteins Schreibtisch. Mit einem unterdrückten Fluch machte er sich daran, die Blätter aufzusammeln. Und da war er, der Geistesblitz, auf den er gewartet hatte! Natürlich! Er hatte die Lösung längst vor Augen gehabt, sie aber nicht erkannt. Bodenstein sprang auf und ging hinüber in Ostermanns Büro.Franjo Conradi saß an Ostermanns Computer und zeigte diesem, wie man das Portal von Double Life öffnen konnte. Er loggte sich mit einem Spielernamen ein, und vor den faszinierten Augen von Ostermann öffnete sich eine nahezu perfekte 3 D-Simulation der Städte Kelkheim und Königstein, allerdings nur für ein paar Sekunden. Auf dem Bildschirm erschien eine Digitalanzeige, die in hoher Geschwindigkeit rückwärts lief. Wie bei einer Bombe.
»Was bedeutet das?«, wollte Ostermann wissen.
Franjo biss sich auf die Lippen.
»Lukas wollte Double Life abschalten«, sagte er schließlich. »Er hatte schon damit gedroht, als Jo noch nicht tot war, weil Jo und Tarek dauernd deswegen gestritten haben. Es fing an, als sich ein paar Softwarefirmen für Double Life interessiert haben. Lukas wollte das Spiel unter keinen Umständen verkaufen, Jo und Tarek haben ihn aber immer wieder gedrängt.«
»Es gab Angebote von Softwareherstellern?«
»Mehrere. Die Japaner haben drei Millionen geboten, die Amis noch mehr.«
»Drei Millionen Dollar?« Ostermanns ungläubiger Blick begegnete dem von Bodenstein.
»Euro«, Franjos Stimme klang tonlos. »Lukas hat gesagt, er würde seine Welt nicht verkaufen, vorher zerstört er sie. Tarek ist ausgeflippt und hat Lukas vorgeworfen, er hätte ja leicht reden, weil er eines Tages die Kohle von seinem Vater erben würde. Tarek ging es immer nur ums Geld, bei allem.«
»Und was hat es mit diesem Countdown auf sich?«
»Der Countdown bedeutet, dass Lukas die Deinstallation gestartet hat. In sechs Stunden und vierunddreißig Minuten startet der Rechner eine Denial-of-Service-Attacke und aktiviert einen Wurm, den Lukas selber programmiert hat. Er wird sämtliche Server und Rechner, mit denen der von Double Life vernetzt ist, lahmlegen. Und gegen ›Svenja‹ waren Sober, MyDoom oder Sasser der reinste Kindergeburtstag.«
Ostermann glaubte dem Jungen
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