Mordsfreunde
Bedingungen für die Heuernte geschaffen. Schwarz war einer der letzten Kelkheimer Landwirte, allerdings waren die Äcker, die er bewirtschaftete, weniger geworden. Für stillgelegte Flächen gab es mehr Geld vom Staat, als er mit Raps oder Weizen hätte verdienen können. Bodenstein klopfte an eine offen stehende Tür.
»Komme Se rin!«, rief jemand von innen. Bodenstein betrat eine große Bauernküche. Im Innern des Hauses war es dämmerig und angenehm kühl, verglichen mit den Temperaturen draußen. Eine Standuhr tickte laut, es roch säuerlich.Als sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, erblickte Bodenstein den großen Mann in blauer Latzhose und einem schweißfleckigen Unterhemd, der vorhin auf dem Traktor an ihm vorbeigefahren war. Er saß auf der Eckbank am Tisch, vor ihm, auf der gewürfelten Plastiktischdecke, standen eine Flasche Wasser und ein Glas mit eingelegten Essiggurken. Bodenstein kannte Erwin Schwarz nur von Fotos aus der Kelkheimer Zeitung, auf denen er immer vorteilhaft in Anzug und Krawatte abgebildet war, wenn er offiziell als Stadtverordneter in Aktion war.
»Mein Name ist Bodenstein von der Kripo Hofheim«, stellte er sich vor. Schwarz warf ihm einen Blick aus wässrigen Augen zu.
»Habbe Sie net grad da drübbe vorm Schmitte-Schorsch seim Haus gestanne? Was isn da los?« Schwarz trank einen Schluck Wasser. Bodenstein war zwar selbst der hessischen Mundart nicht mächtig, aber er verstand sie mühelos.
»Wir haben heute Morgen die Leiche von Herrn Pauly gefunden«, antwortete er.
»Ach«, Landwirt Schwarz riss erstaunt die Augen auf.
»Wir vermuten, dass Herr Pauly am späten Dienstagabend vor der Tür zu seiner Küche erschlagen worden ist. Ich möchte gerne wissen, ob Sie irgendetwas gehört oder gesehen haben.«
Erwin Schwarz kratzte sich nachdenklich die schweißfeuchten Haarsträhnen über seiner sonnenverbrannten Glatze.
»Dienstaachabend«, murmelte er, »da war isch net dahaam. Da war isch beim Stammtisch, beim Lehnert gewese, bis um drei viertel zwölf ungefähr.«
Der »Lehnert« war eine beliebte Traditionsgaststätte in Münster schräg gegenüber vom alten Rathaus und hieß in Wirklichkeit Zum Goldenen Löwen. Von dort aus waren es bis in den Rohrwiesenweg etwa fünf Minuten mit dem Auto.
»Ist Ihnen vielleicht etwas aufgefallen, als Sie vorbeigefahren sind?«, fragte Bodenstein. »Als wir heute in das Haus gekommen sind, standen alle Türen offen, und alles war verwüstet.«
»Des tät mir net uffalle«, erwiderte Erwin Schwarz in einem verächtlichen Tonfall. »Wisse Se, was bei dene tachtäschlisch fürn Zerkus is? Da is als was annerst. Die junge Leut komme mit ihrne Mopeds und Audos, die lache un kreische, als wärn se allaans uff der Welt. Und dann die Köder von dem Pauly, die laafe überall rum und scheiße alles voll. Der Kerl is Lehrer, der soll unsere Kinner erziehe. Des muss mer sisch mal vorstelle!«
»Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Nachbarn?«, erkundigte Bodenstein sich.
»Mer warn kei Freunde«, Schwarz kratzte nun den Pelz auf seiner speckigen Brust. »Der Pauly war'n unangenehmer Zeitgenosse, der hatte als was zu meckern. Des hat nix dademit zu due, dass mer polidisch net aaner Meinung warn.«
»Womit dann?«
»Der war'n falscher Fuffzischer«, sagte Erwin Schwarz. »Dem sei Exfraa, dem Schmitte-Schorsch sei aa Enkelin, die Mareike, die hat des Haus geerbt, net der. Als se nach der Trennung ausgezooche is, is der Pauly im Haus geblibbe. Dabei isses em gar net. Am Dienstaach war die Mareike wieder mal da, da habbe se gestridde wie die Kesselfligger. Des hat mir die Matthes-Else von geescheübber erzählt.«
Im Türrahmen erschien ein junger Mann.
»Die Press geht wieder, Vadder«, sagte er, ohne Bodenstein zu beachten. »Soll ich erst die groß Wies am Wald übbe mache oder die obbe am Kloster?«
Erwin Schwarz erhob sich mit einem Ächzen, schob die Träger der Latzhose über seine Schultern und verzog das Gesicht.
»Die Bandscheib«, erklärte er Bodenstein, dann wandte er sich seinem Sohn zu. »Du fährst enuff zum Kloster. Uff dere Wies am Wald mache mer klaane Balle.«
Der junge Mann nickte und verschwand.
»Mir sin midde in de Heuernt«, sagte Schwarz zu Bodenstein, »mer müsse des gude Wedder ausnutze.«
»Dann will ich Sie nicht länger aufhalten«, Bodenstein lächelte freundlich und legte eine seiner Visitenkarten auf die Plastiktischdecke. »Danke für die Auskünfte. Falls Ihnen noch irgendetwas einfällt, rufen
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