Mordsfreunde
irgendeiner Äußerung entschuldigen.«
»Richtig«, Bodenstein nickte. »Wer ist dieser Mann?«
»Der Chef der Bock Consult, die im Auftrag der Städte Kelkheim und Königstein schall- und verkehrstechnische Gutachten erstellt hat«, antwortete Ostermann. »Die Ergebnisse führten dazu, dass die B8-Angelegenheit im Bundesverkehrswegeplan ganz plötzlich als vordringlich eingestuft wurde. Damit stünde einer Realisierung der Straße nichts mehr im Wege. Pauly behauptet, dahinter steckten wirtschaftliche und finanzielle Interessen der ›Vordertaunus-Mafia‹, zu denen er Funke, Zacharias, Bock und einige weitere Leute zählt. Er bezeichnete sie als Verbrecher, Amigos, korrupte Halunken und so weiter.«
Kathrin Fachinger schrieb die Namen aller Personen, die Ostermann erwähnte, mit Edding auf die große Tafel, die an der Wand des Büros hing. Bodenstein ergriff den Stift und schrieb ›Schwarz‹, ›Exfrau Mareike‹, ›Conradi‹ und ›Siebenlist‹ dazu.
»Sie wissen etwas, was wir nicht wissen«, stellte Pia fest.
»Ich habe einige aufschlussreiche Gespräche geführt«, erwiderte Bodenstein und fügte den Namen ›Zoodirektor San-der‹ hinzu.
»Warum denn der?«, fragte Pia erstaunt.
»Weil mir die Lebensgefährtin von Pauly sagte, dass er Pauly und sein Gefolge neulich bedroht und beinahe überfahren habe.«
»Ich sehe schon«, Pia seufzte, »das wird eine Heidenarbeit.«
»Übrigens, wir haben wahrscheinlich auch die Mordwaffe«, sagte Bodenstein. »Ein altes Hufeisen, an dem die Kollegen von der KTU Blut gefunden haben. Es lag direkt neben der Treppe zur Küche.«
Freitag, 16. Juni 2006
Um kurz vor acht betraten Bodenstein und Pia das Gebäude des Friedrich-Schiller-Gymnasiums. Obwohl offiziell ein Brückentag, wurde der Freitag nach Fronleichnam vom Lehrerkollegium für eine Gesamtkonferenz genutzt. Gleich links vom Eingang befand sich hinter einer Milchglastür das Sekretariat, und dort trafen Bodenstein und Pia das halbe Kollegium in erregter Diskussion an.
»... unmöglich, dass er sich nicht einmal meldet«, empörte sich ein Mann mit Schnauzbart und altmodischer Kassenbrille. »Ich habe auf jeden Fall keine Lust, seinen ganzen Unterricht zu übernehmen.«
»Es ist gar nicht seine Art, einfach nicht zu erscheinen und nicht Bescheid zu sagen.«
»Zu Hause geht niemand ans Telefon, und sein Handy ist ausgeschaltet«, verkündete die Sekretärin von ihrem Schreibtisch aus.
»Vielleicht taucht er noch auf«, ein anderer Lehrer regte sich nicht besonders auf, »es ist erst Viertel vor acht.«
»Falls Sie über Ihren Kollegen Pauly sprechen«, sagte Bodenstein, nachdem sein höflicher Gruß zweimal ignoriert worden war, »er wird heute nicht kommen.«
Alle verstummten und blickten auf. Bodenstein stellte sich und Pia vor, dann räusperte er sich. »Herr Pauly wurde gestern Morgen tot aufgefunden.«
Mit einem Schlag verstummten alle Gespräche; eine Welle kollektiver Betroffenheit ging durch den kleinen Raum.
»Nach ersten Ermittlungen gehen wir davon aus, dass er einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist.«
»O mein Gott«, murmelte eine Frau mit erstickter Stimme und begann zu schluchzen. Die anderen schwiegen. Bodenstein blickte in die Runde, sah schockierte und erschütterte Gesichter. Die Direktorin, eine energische Mittfünfzigerin mit kurzem eisgrauem Haar und runder Brille, bat Bodenstein und Pia in ihr Büro. Auch Ingeborg Wüst war sichtlich betroffen, als sie von Bodenstein erfuhr, was mit ihrem Kollegen geschehen war. Pauly war seit sechzehn Jahren Lehrer am Schiller-Gymnasium, er hatte Biologie, Deutsch und Politikwissenschaften unterrichtet.
»Wie war er so, als Mensch und als Lehrer?«, fragte Pia.
»In fachlicher Hinsicht über alle Zweifel erhaben«, erwiderte die Direktorin. »Die Schüler respektierten ihn, er hat seine Arbeit ernst genommen und für die Probleme der Schüler immer ein offenes Ohr gehabt.«
Pia dachte an Lukas van den Berg, der durch Paulys Einfluss an die Schule zurückgekehrt war und sein Abitur gemacht hatte.
»Hatte er in der letzten Zeit Probleme mit Kollegen oder Schülern?«, wollte Bodenstein wissen.
»Probleme gibt es immer«, Ingeborg Wüst sann eine Weile über eine passende Formulierung nach. »Herr Pauly konnte Menschen begeistern – aber auch genau das Gegenteil erreichen. Man liebte oder man hasste ihn. So kann man es wohl ausdrücken.«
Die schlimme Nachricht hatte sich schon im Lehrerkollegium herumgesprochen, als
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