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Mordsfreunde

Titel: Mordsfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Paulys Haus gesehen hat«, sagte Bodenstein, während er durch den Königsteiner Kreisel fuhr, »dann hätten wir einen Grund, ihn vorzuladen und ihm Fingerabdrücke und eine Blutprobe abzunehmen.«
    »Hm«, machte Pia nur und setzte ihre Sonnenbrille auf.
    »Was ist denn los mit Ihnen?«, fragte Bodenstein. »Gestern waren Sie so blendender Laune und heute blasen Sie Trübsal. Ist etwas mit dem Fohlen?«
    »Nein«, entgegnete Pia, »dem geht's gut.«
    »Was ist es dann?«
    »Ich hab in den letzten Nächten wenig Schlaf bekommen«, redete Pia sich heraus. Es war keine gute Idee gewesen, Henning wiederzutreffen. Aber das konnte sie ihrem Chef ganz sicher nicht sagen.
     
    Wenig später lauschten die Mitarbeiter des K11 Kathrin Fachinger, die einen Artikel mit der Überschrift »Wilder Westen im Kelkheimer Parlament« aus der aktuellen Ausgabe der Taunus-Umschau vorlas. Bodenstein lauschte mit gerunzelter Stirn.
    »Zu einer handfesten Auseinandersetzung in bester Wildwest-Manier kam es am vergangenen Montagabend in der Sitzung des Kelkheimer Stadtparlaments. Nach einem heftigen verbalen Schlagabtausch zum Thema ›Weiterbau der B8‹ zwischen Hans-Ulrich Pauly (ULK) und der CDU-Fraktion streckte der Stadtverordnete Franz-Josef Conradi (CDU), von Pauly mehrfach abfällig als der ›Worschtkönig aus der Bahnstraße‹ bezeichnet, Pauly kurzerhand mit einer geraden Rechten zu Boden.
    Hintergrund der Streitigkeiten: Pauly, engagierter Gegner des B8-Ausbaus, wartete in der Sitzung in gewohnt schonungsloser Manier mit pikanten Details auf, die der Öf fentlichkeit bisher nicht bekannt waren oder verschwiegen wurden. Er behauptete, dass während der Planungsphase für die B8 eklatante Fehler bei der Verkehrsprognose gemacht wurden. Verantwortlich für die Unstimmigkeiten zwischen Verkehrs-Vorhersage und tatsächlich gemessenen Verkehrszahlen scheint Norbert Zacharias zu sein, ehemaliger Bauamtsleiter der Stadt Kelkheim, der erst vor kurzem einen gut dotierten Beratervertrag als ausschließlich Zuständiger für die B8-Umgehung erhalten hatte. Zufall oder Absicht, dass die Consulting-Firma von Zacharias' Schwiegersohn Carsten Bock sämtliche Gutachten für den Straßenausbau erstellt hat? Eigenartig fand Pauly auch, dass die Herren Stadtverordneten Schwarz und Conradi vor nicht allzu langer Zeit scheinbar wertloses Grünland erworben haben, das sich rein zufällig auf dem Gelände der geplanten B8-Trasse befindet und im Falle einer Realisierung der Straße das Zehnfache wert sein dürfte. Der ULK-Stadtverordnete jedenfalls wittert Vetternwirtschaft und Vorteilsnahme und stellte die Frage, welches Interesse ein frühzeitig pensionierter Bauamtsleiter, ein scheidender Bürgermeister und andere an der Verwirklichung einer Straße haben, deren ›Verkehrsbedarf zusammenschmilzt wie Eis im Sonnenschein‹.
    Nach Conradis Faustschlag brach der Stadtverordneten- Vorsteher die Sitzung kurzerhand ab. Noch am gleichen Abend verkündete Conradi, dass er nur zu gerne gegen Paulys Grabstein pinkeln würde. Auch der von Bürgermeister Dietrich Funke (CDU) tags zuvor in kleiner Runde scherzhaft gemachte Vorschlag, unangenehme Kontrahenten im Streit um den wieder aktuell gewordenen Ausbau der B8 am besten mit einem Betonklotz an den Füßen im Braubachweiher zu versenken, gewinnt vor dem Hintergrund der Ereignisse vom Montagabend an Brisanz. Die Sache schwelt auf jeden Fall heftig weiter; wir werden berichten.«
     
    »Pauly hatte sich viele Feinde gemacht«, überlegte Bodenstein laut. »Angefangen beim Direktor vom Opel-Zoo, über seine Nachbarn bis hin zu den Vertretern der Stadt Kelkheim.«
    »Seine Exfrau nicht zu vergessen«, warf Pia ein.
    »Und Metzgermeister Conradi«, ergänzte Kathrin Fachinger.
    »Was hat es denn mit dieser B8-Sache eigentlich auf sich?« Frank Behnke spielte gelangweilt mit einem Kugelschreiber. Als gebürtiger Sachsenhäuser betrachtete er alles, was sich außerhalb der Frankfurter Stadtgrenzen befand, als tiefste Provinz. Ostermann umriss mit knappen Worten die B8-Pro-blematik, an der sich seit beinahe dreißig Jahren die Gemüter der Kelkheimer Bürger erhitzten. 1979 hatten junge Leute aus Kelkheim und Königstein im Liederbachtal in der Nähe der Roten Mühle den bereits für die geplante Straße aufgeschütteten Damm besetzt, ein Hüttendorf errichtet und fast zwei Jahre dort ausgeharrt. Pauly war einer jener Dammbesetzer gewesen. Später hatte er in Kelkheim die Unabhängige Liste Kelkheim, kurz ULK,

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