Mordsfreunde
mitbegründet und seitdem heftige Oppositionspolitik betrieben. Nach der Räumung des Damms im Mai 1981 war es eine ganze Weile still um den Ausbau der Straße geworden, die zurzeit bei Kelkheim-Hornau endete.Mit dem Argument, das berüchtigte Nadelöhr des Königsteiner Kreisels zu entlasten, an dem sich zu den Hauptverkehrszeiten regelmäßig lange Staus bildeten, war vor ein paar Jahren die Diskussion um den Ausbau der Straße neu entflammt. In einem Raumordnungsverfahren wurde derzeit geklärt, ob tatsächlich Bedarf für den Ausbau der vierspurigen Schnellstraße bestehe.
»Vor ein paar Tagen haben Vertreter der Umweltschutzverbände aus Kelkheim und Königstein dem Regierungspräsidenten zweitausend schriftliche Einwendungen gegen den Straßenausbau übergeben.« Ostermann hatte sich umfassend informiert. »Die Planungsunterlagen für den Straßenausbau wurden in den Rathäusern von Kelkheim und Königstein zur Einsichtnahme durch die Bürger ausgelegt, die Einwendungen einreichen können. Es gab heftige Vorwürfe, weil die Unterlagen ausgerechnet in den Osterferien ausgelegt wurden, in Königstein sogar nur in den Büros im Rathaus, wo eine gründliche Einsichtnahme so gut wie gar nicht möglich war.«
»Komm zur Sache, Kai«, Behnke wurde ungeduldig. »Wird die Straße jetzt gebaut oder nicht?«
»Genau da kommen wir zu dem Punkt, an dem sich Pauly ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hat.« Ostermann räusperte sich. »Letzten Montag hat er auf seiner ›Kelkheimer-Manifest-Seite‹ im Internet ein Pamphlet veröffentlicht, in dem er behauptet, dass die automatische Zählstelle in Höhe des Königsteiner Friedhofs von der Bock Consult bei der Berechnung der Verkehrsprognosen absichtlich außer Acht gelassen wurde. Außerdem sei in den Gutachten nicht erwähnt worden, dass sich der Kreisel in Königstein bereits im Umbau befindet, der den Verkehr erheblich entlastet wird.«
Ostermann blätterte in seinen Notizen.
»Angeblich hat Pauly schriftliche Beweise für geheimeAbsprachen zwischen der Stadt, dem Hessischen Straßenverkehrsamt, dem Ministerium für Straßenbau in Berlin und der Bock Consult.«
Bodenstein hörte schweigend zu. Im Großen und Ganzen waren ihm die Fakten um den Straßenausbau bekannt. Neu waren allerdings auch ihm die angezweifelten Gutachten und die offensichtliche Vetternwirtschaft. Es war durchaus denkbar, dass hinter Paulys Tod tatsächlich persönliche Motive einiger Entscheidungsträger steckten. Hatte er sterben müssen, weil er kriminelle Absprachen und illegale Vereinbarungen aufgedeckt hatte?
Bürgermeister Dietrich Funke begrüßte Bodenstein und Pia mit der offiziellen Herzlichkeit des routinierten Kommunalpolitikers. Er führte sie zu einer Sitzecke in seinem großen Büro.
»Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte er mit einem freundlichen Lächeln. »Was führt die Kriminalpolizei zu mir?«
»Gestern Morgen wurde die Leiche von Hans-Ulrich Pauly gefunden«, begann Bodenstein ohne große Einleitung und beobachtete, wie das Lächeln vom Gesicht des Bürgermeisters verschwand und einem fassungslosen Ausdruck wich. »Wir müssen davon ausgehen, dass er einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist.«
»Das ist ja entsetzlich«, Bürgermeister Funke schüttelte den Kopf.
»Wir haben gehört, dass es am Montagabend während einer Sitzung zu einem Eklat gekommen ist«, fuhr Bodenstein fort.
»Ja, das steht ja wohl auch heute in der Zeitung«, der Bürgermeister machte keinen Versuch, den Vorfall zu beschönigen. »Pauly und ich konnten uns nicht besonders leiden. Ich war sozusagen sein Lieblingsfeind. Es fing vor fünfundzwanzigJahren an, als Pauly und einige andere junge Leute das legendäre Dorf auf dem Damm bauten. Ich war damals sicher, dass sie nicht lange durchhalten und vor dem Winter aufgeben würden.«
Funke setzte die Brille ab und rieb sich die Augen.
»Im Nachhinein denke ich, dass meine Haltung und Reaktion damals ein besonderer Ansporn für sie war, erst recht durchzuhalten. Später gründeten sie die ULK und erreichten bei der Kommunalwahl auf Anhieb 11,8 Prozent. Seitdem war Pauly im Stadtparlament und stets darauf bedacht, mir das Leben schwerzumachen.«
Der Bürgermeister schob sich wieder die Brille auf die Nase und lächelte wie ein gutmütiger, freundlicher Frosch.
»Am Montag ging es um die Pläne zum Ausbau der B8«, fuhr er fort. »Das Land Hessen hat ein Raumordnungsverfahren eingeleitet, und wir – die Städte Kelkheim und Königstein –
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