Mordsfreunde
dann senkte er den Kopf und stützte seine Stirn in die unverletzte linke Hand. Bestürzt erkannte sie, dass er weinte.
»Lukas ...«, sie wollte zu ihm gehen, ihn trösten oder sich dafür entschuldigen, dass sie ihm weh getan hatte, aber er machte eine abwehrende Handbewegung. Die Nachricht, dass Pauly ihn in seinem Testament so großzügig bedacht hatte, schien ihm einen Schock versetzt zu haben.
»Nicht«, flüsterte er mit mühsamer Beherrschung, »bitte. Ich möchte jetzt alleine sein.«
Pia nickte und ergriff ihre Tasche. Als sie sich an der Tür noch einmal zu ihm umdrehte, hatte er das Gesicht auf die Tastatur gelegt, und seine Schultern zuckten.
Bodenstein erhob sich und ging ins benachbarte Büro. Pia Kirchhoff war zurück. Sie, Behnke und Kathrin Fachinger standen hinter Ostermann und blickten über dessen Schultern auf den Monitor.
»Was gibt's?«, erkundigte Bodenstein sich.
»Ich habe die Beweise, die Pauly gegen Bock in der Hand hatte«, erklärte Pia, ohne ihn anzusehen. »Lukas hat die gesamte Korrespondenz zwischen Bock und Leuten in verschiedenenÄmtern und Ministerien von Jonas' Rechner kopiert.«
Sie trug ihm seine harsche Zurechtweisung vom Morgen noch immer nach. Bodenstein tat so, als bemerke er es nicht.
»Lässt sich daraus etwas machen?«, fragte er.
»Ich denke schon«, Ostermann nickte. »Unsere Kollegen werden jubeln. Jonas muss sich regelmäßig in den Computer seines Vaters gehackt haben. Es dauert eine Weile, bis ich alle Daten gesichtet habe.«
»Sie haben drei Stunden«, sagte Bodenstein. »Wir fahren in der Zwischenzeit zum Hof von Schwarz, Haftbefehl und Durchsuchungsbeschluss sind auf dem Weg hierher. Frau Matthes hat mir bestätigt, dass sie Matthias Schwarz in der Nacht des Brandes erkannt hat, als er das Haus verlassen hat.«
»Deshalb können wir ihn nicht verhaften«, Behnke machte ein langes Gesicht. Bodenstein entging sein wiederholter Blick zur Uhr nicht.
»Haben Sie etwas Dringendes vor heute Abend?«, fragte er scharf.
»Nein«, Behnke zuckte verstimmt die Schultern. Natürlich hatte er etwas vor. Brasilien spielte gegen Japan. Bodenstein verspürte einen Anflug von Schadenfreude. Nicht nur ihm war der Abend verdorben. In der gleichen Sekunde schämte er sich für diesen Gedanken. Sonst war er ein ausgeglichener Mensch, der Kollegen, Vorgesetzten und Verdächtigen eher mit seiner ruhigen Gelassenheit auf die Nerven ging.
»Wir verhaften Schwarz auch nicht wegen des Brandes«, sagte er, »aber wenn er kein tadelloses Alibi für den Dienstagabend vorweisen kann, ist er wegen Mordverdacht dran.«
»Und wenn er ein Alibi hat?«, erkundigte sich Kathrin Fachinger.
»Dann nehmen wir Svenja in die Zange«, antwortete Bodensteinund fügte hinzu: »Das hätte sowieso längst geschehen müssen.«
Pia Kirchhoff blickte ihn vorwurfsvoll an.
»Ihr Freund wurde am Montag ermordet«, sagte sie kühl. »Sie ist schwanger und labil. Ich musste befürchten, dass sie sich etwas antut, wenn ich ihr noch ein paar Fragen mehr gestellt hätte.«
Ostermann, Behnke und Fachinger wechselten rasche Blicke. Weder war ihnen die unterschwellige Aggressivität ihres Chefs noch die Spannung zwischen ihm und Pia entgangen, aber niemand hatte eine Erklärung dafür.
»Sagen Sie mir Bescheid, wenn der Haftbefehl da ist«, Bodenstein ging in sein Büro und schlug die Tür ein wenig heftiger hinter sich zu als beabsichtigt. Dann griff er zum Telefon und rief Cosima an.
»Du schaffst es nicht, stimmt's?«, meldete sie sich.
»Vielleicht doch«, erwiderte Bodenstein unglücklich. Cosima klang so gelassen wie immer, wenn er ihr wegen eines unvorhergesehenen Ereignisses kurzfristig absagen musste. Das geschah nicht zum ersten Mal. Aber zum ersten Mal dachte er daran, dass es sie störte, wenn er das tat.
»Ich habe ein schlechtes Gewissen, seit du gesagt hast, mir wären meine Fälle wichtiger als alles andere. Das stimmt nämlich nicht. Nur manchmal kann ich eben nicht einfach alles stehen und liegen lassen.«
»Ach, das habe ich doch nicht so gemeint«, sie lachte etwas. »Ich war an dem Abend schlecht drauf.«
»Vielleicht warst du aber einfach nur ehrlich und hast das gesagt, was du wirklich denkst«, beharrte Bodenstein.
Einen Moment lang war es still.
»Ich weiß seit über zwanzig Jahren, dass du gelegentlich länger arbeiten musst«, sagte Cosima ernst. »Ich mache dir keinen Vorwurf draus.«
Sie sagte genau das, was er hatte hören wollen, aber es gefiel ihm nicht. Er
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