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Mordsfreunde

Titel: Mordsfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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dass Henning gelogen hatte. Ohne Kostüm und Seidenstrümpfe war Staatsanwältin Löblich nur noch mäßig attraktiv – mit ausgeprägter Cellulitis an den Oberschenkeln und einem dicken Hintern. Sie überlegte kurz, ob sie einfachwieder verschwinden sollte, aber dann konnte sie der Versuchung nicht widerstehen.
    »Der Tisch ist nicht so stabil, wie er aussieht«, sagte sie und beobachtete mit boshafter Genugtuung einen klassischen Coitus interruptus.
    »Pia!«, keuchte Henning erschrocken. »Was tust du hier?«
    »Ich wollte nur meine Schlüssel zurückbringen. Entschuldige die Störung.«
    Henning tastete nach seiner Brille, die irgendwo auf dem Boden neben dem Tisch lag. Staatsanwältin Löblich tat dasselbe und versuchte gleichzeitig, beschämt ihre Blöße mit dem erstbesten Kleidungsstück zu bedecken, das ihr in die Finger geriet.
    »Ich lege die Schlüssel auf den Küchentisch«, Pia wandte sich ab. »Viel Spaß noch.«
    »Warte!«, rief Henning. Bevor er hinter ihr herlaufen konnte, legte sie die beiden Schlüssel auf die Anrichte neben der Wohnungstür und ging hinaus. Sie hatte einen Kloß im Hals, als sie zu ihrem Auto rannte und Hennings Rufe vom Balkon aus ignorierte. Komisch eigentlich. Sie selbst hatte die Trennung gewollt, und doch hatte sie sich nie zuvor in ihrem Leben so einsam und alleine gefühlt wie in diesem Moment.

Freitag, 23. Juni 2006
    Sie fuhr ziellos durch die ganze Stadt. Zurück auf den Birkenhof wollte sie nicht, denn sie fürchtete sich mittlerweile vor dem leeren Haus und der Einsamkeit. Pia konnte Henning keinen Vorwurf machen, immerhin war sie es, die ihn verlassen hatte, nicht umgekehrt. Wie dumm von ihr, einfach in die Wohnung zu marschieren! Obwohl ihr die Tränen über das Gesicht liefen, musste sie plötzlich beinahe hysterisch lachen. Was für eine peinliche Situation!
    Ob Henning wohl gerade einen zweiten Versuch mit der Löblich wagte? Just in diesem Moment klingelte ihr Handy. Es war Henning! Kein zweiter Versuch also. Pia missachtete das beharrliche Klingeln. Irgendwann schien er zu merken, dass sie nicht drangehen würde, deshalb verlegte er sich aufs SMS-Schreiben. Neugierig klappte Pia das Gerät auf und stellte fest, dass die eingegangene Kurznachricht von Lukas und nicht von Henning stammte. Sind Sie wach? Ich würde gerne mit Ihnen reden. Kann nicht schlafen. Lukas.
    Lukas. Er und Christoph Sander schlichen sich abwechselnd und ohne dass sie es irgendwie verhindern konnte in ihre Träume! Da Henning als Gesellschafter gegen das Alleinsein ausgefallen war, erschien ihr Lukas als willkommene Alternative.
     
    Eine halbe Stunde später saß Lukas an ihrem Küchentisch. Er war blass, seine Augen waren stumpf und vom Weinen gerötet. Pia schlug ihm ein paar Rühreier in die Pfanne und schnitt zwei Scheiben Brot ab. Sie stellte ihm den Teller hin und sah zu, wie er mit Appetit aß und jeden Bissen betrachtete, bevor er ihn in den Mund schob. So aßen nur Einzelkinder, aber nicht die mit vielen Geschwistern, die immer befürchteten, zu kurz zu kommen. Lukas aß in aller Ruhe, ein wenig Farbe kehrte in sein Gesicht zurück.
    »Danke«, sagte er, nachdem er mit einem Stück Brot den Teller sauber gewischt hatte. »Ich spüle dafür.«
    »Ich habe eine Spülmaschine«, Pia lächelte. »Schone lieber deinen Arm. Tut er noch weh?«
    »Es geht«, erwiderte Lukas, »jetzt wäre mir nach einem Drink zumute. Soll ich uns etwas mixen?«
    »Viele Zutaten habe ich nicht.«
    »Darf ich mal schauen?«
    »Bitte.«
    Er öffnete Kühlschrank und Schränke und förderte eine Flasche Wodka, Tomatensaft und ein Fläschchen mit Tabasco zutage.
    »Bloody Mary?«, schlug er vor. »Wieso nicht?«
    Während er mischte und mixte, Eiswürfel zerkleinerte und hin und wieder probierte, zündete Pia sich eine Zigarette an. Sie hatte sich vom Schock des Anblicks von Hennings nacktem Hintern zwischen den Schenkeln einer fremden Frau erholt und fühlte sich in Lukas' Gesellschaft schon wieder besser. Auch wenn sie versucht hatte, sich das im vergangenen Jahr einzureden, so musste sie sich eingestehen, dass sie fürs Alleinleben nicht geschaffen war. Lukas erzählte von den Plänen, die Jo und er gehabt hatten. Wenig später stießen sie an und schlürften die Bloody Mary. Dann eine zweite undeine dritte. Es schmeckte verteufelt gut, und die Schatten der Angst wurden klein und unwichtig.
    »Kannte Jo sich gut mit Computern aus?«, fragte Pia.
    »Ja, ziemlich gut«, erwiderte Lukas. »Er und Franjo haben

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