Mordsgefluester
war er offen.
Um Luft ringend und hustend schob ich das Fenster auf und robbte über den Fenstersims, immer bemüht, unterhalb der Rauchwolke zu bleiben, die aus dem Raum quoll. Ich brauchte frische Luft. Meine Lungen brannten höllisch, trotz des nassen Handtuchs, das ich über Mund und Nase geschlungen hatte.
Ich glaubte Sirenen zu hören, aber vielleicht war es nur mein Rauchmelder, der immer noch reckenhaft schrillte. Oder der Rauchmelder des Nachbarn war angesprungen. Vielleicht war die Feuerwehr schon da. Von der Rückseite des Hauses aus konnte ich das nicht sehen, und ich würde nicht abwarten, ob sich jemand zeigte.
Ich fegte die Tagesdecke von dem Gästehimmelbett und zog die Laken so schnell ab, dass ich die Matratze gleich mit vom Bett zerrte. So schnell ich konnte, knotete ich einen Zipfel des Lakens an das Bein des Bettes und das andere Ende an das zweite Laken, wodurch ich ein Lakenseil knüpfte, das vom Bett aus durch das Fenster an der Außenwand hinabreichte.
Ich schaute nicht erst nach, ob mein Seil lang genug war, sondern schleuderte kurzerhand meine Tasche aus dem Fenster, bevor ich das Laken packte und hinauskletterte.
Komisch, wie der Körper funktioniert. Ich brauchte nicht lange zu überlegen, wie ich aus dem Fenster klettern würde, mein Körper wusste nach den unzähligen Turnübungen von selbst, was er zu tun hatte. Ich streckte die Füße über den Sims, hielt mich am Fensterrahmen fest und drehte mich dann mit dem Gesicht zur Wand, damit ich mich mit den Füßen an der Außenmauer abstützen konnte.
Das Laken fest um die Unterarme gewickelt, begann ich mich Handbreit um Handbreit abzuseilen, während ich mit den Füßen über die Wand »marschierte«, bis Laken und Wand plötzlich zu Ende waren. Einen Augenblick hing ich in panischer Angst in der Luft; links von mir schlugen schon die Flammen aus dem Küchenfenster. Das Gästezimmer ragte über das Erdgeschoss hinaus, der Boden des Zimmers bildete das Dach meiner kleinen Terrasse. Ich hatte keine Wand mehr, an der ich abwärts wandern konnte, und unter mir waren zweieinhalb Meter Luft.
Scheiß drauf. An der Spitze einer Cheerleader-Pyramide steht man noch höher. Und ich bin, wie ich gern und oft betone, stolze einhundertsechzig Zentimeter groß. Wenn ich die Arme über den Kopf strecke, bringe ich es wahrscheinlich sogar auf zwei Meter plus minus ein paar Zentimeter. Damit fehlten mir nur noch knappe fünfzig Zentimeter bis zum Boden, oder?
Nicht dass ich an meinem Laken gebaumelt und derartige Berechnungen angestellt hätte. Ich schaute nur kurz nach unten, überlegte: »Wie tief ist es wohl?« und ließ die Beine nach unten baumeln. Als beide Arme durchgestreckt waren, ließ ich los.
Ich glaube, es war deutlich mehr als ein halber Meter.
Trotzdem landete ich mit angewinkelten Knien, so wie ich es trainiert hatte, ließ den Aufprall von dem kühlen, feuchten Gras abfedern, und rollte mich ab.
Wenig später war ich wieder auf den Knien und starrte auf das Spektakel, das sich mir bot. Funken schossen in die Luft wie bei einem obszönen Feuerwerk. Das Feuer brüllte, als wäre es lebendig. Ich hatte noch nie einen Brand gehört, ich war noch nie so nahe an einem brennenden Haus gewesen, aber ein brennendes Gebäude ist … wie ein eigenständiges Wesen, etwas mit einer ganz neuen Identität. Jetzt, wo es in Flammen stand, schien mein Haus zum Leben zu erwachen, und es wollte nicht kampflos sterben.
Ich saß immer noch in der Falle, in meinem winzigen Gärtchen eingeschlossen, während die Flammen, die mein Haus verschlangen, über mich hinwegschlugen und die rauchgeschwärzten Hauswände einzuknicken drohten. Immer noch auf allen vieren krabbelte ich über den Rasen, bis ich die dunkle Tasche gefunden hatte, diesmal schlang ich den Henkel diagonal über Hals und Schulter, ehe ich zum Gartentor rannte. Ich rammte den schweren Riegel zurück, warf mich gegen das Tor – und nichts geschah. Das Tor rührte sich nicht.
»Verfluchte Scheiße noch mal!«, schrie ich heiser und so aufgebracht, dass ich spürte, wie ich aus der Haut zu fahren drohte. Pfeif auf das Messer; wenn ich diese total durchgeknallte mordende Irre in die Finger bekam, brauchte ich keine Waffe mehr, dann würde ich ihr mit den Zähnen die Luftröhre aus der Kehle reißen. Und dann würde ich ihr die Haare anstecken und Marshmallows in den Flammen rösten.
Nein, doch nicht. Das war zu eklig. Keine Marshmallows.
Nachdem ich aus einem Fenster im ersten Stock
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