Mordskerle (German Edition)
herab baumelte.
Schlagartig erkannte Lena die Wahrheit.
SIE waren vor ihr bei Breidbach gewesen.
SIE – damit meinte sie die beiden Männer aus der Uhlenhorster Villa – hatten Breidbach aufgelauert und ihn nieder geschlagen. Den Hund hatten sie vorher irgendwo angebunden, damit er seinen Herrn nicht gegen sie verteidigen konnte.
Lautes, verzweifeltes Weinen erfüllte in diesem Augenblick den Raum, und es dauerte ein paar Sekunden, bis Lena erkannte, dass sie es war, die da weinte – klagend, erschüttert, entsetzt, weil sie ahnte, dass dieses alles wahrscheinlich nicht geschehen wäre, wenn sie sich nicht arglos wie ein Kind auf den Weg zu Max Breidbach gemacht hätte.
Wer immer seine Feinde waren – Lena hatte es ihnen leicht gemacht, ihn zu finden. Sie hatten sich ja nur an die Hinterreifen ihres schwarzen Porsche heften müssen.
Angesichts dieser Erkenntnis überfiel sie eine solche Schwäche, dass sie sich gegen die Wand lehnen musste, um sich langsam daran zu Boden gleiten zu lassen. Da hockte sie dann, weinend und am Ende ihrer Kräfte.
Später gelang es ihr immerhin, Breidbach ein kleines Kissen unter den Kopf zu schieben, dann rannte sie so schnell sie konnte zurück zu ihrem Auto, um über ihr Mobiltelefon den medizinischen Notdienst zu rufen.
Anschließend kehrte sie zum Haus zurück, wo der Hund immer noch reglos neben dem schwer verletzten Breidbach saß. Den Blick unverwandt auf ihn gerichtet, schien er nur darauf zu warten, dass der Mann endlich die Augen öffnete.
12. Kapitel
I nken Beer-Lentz hatte die Figur eines hoch aufgeschossenen, mageren Jungen, fand Annelie, als sie Sofies einzigem Kind in der Halle der Villa Beer entgegen ging. Inken, mit weißblondem, kurz geraspeltem Haar, einem Jungengesicht, in dem die hellen Augen stets kritisch blickten und einem schmalen, ebenso kritischen Mund, trug mit Vorliebe locker geschnittene, edle Hosenanzüge in Grau oder Dunkelblau, die sie sich in London anfertigen ließ, wie Annelie sich erinnerte – und während sie das dachte, verzog sie etwas geringschätzig den Mund.
Sie hätte sich nicht für Geld und gute Worte in einen solchen Anzug zwingen lassen, fühlte sie sich doch in ihren sehr weiblichen, wadenlangen und weich schwingenden Röcken und Kleidern aus Seide oder Leinen am wohlsten.
Sobald Inken näher heran war, blieb bei genauerem Hinschauen nicht mehr viel von ihrer Jungenhaftigkeit. Im Gegenteil, ihr Gesicht hatte ohnehin immer etwas Verkniffenes und aus irgendeinem Grund jetzt zusätzlich noch etwas Gereiztes. Sie machte einen dünnen, bösen Mund und konnte sich kaum zu einem Lächeln durchringen, als sie Annelie begrüßte.
„Tag, Annelie. Es ist kindisch von Mutter, sich an deiner Schulter ausweinen zu wollen. Natürlich geht es ihr nicht gut. Ich weiß nicht, was sie erwartet. Vater ist noch keine zwei Wochen unter der Erde, wir sind alle nicht besonders fröhlich, aber das Leben geht ja schließlich weiter, nicht?“
Ihre Stimme war monoton und auf eine entnervende Art kindlich hoch. Annelie versuchte sich vergebens vorzustellen, wie diese junge Frau mit dieser Stimme wohl eine Vorstandssitzung ihres Firmenimperiums leitete.
Es war bekannt, dass Inken seit ihrem glanzvoll abgeschlossenen Studium der Wirtschaftswissenschaften ihrem, inzwischen leider verblichenen, Vater in bewundernswerter Manier und absolut souverän zur Seite gestanden hatte – lauter Eigenschaften, die ihre Mutter Sofie nicht besaß.
Ach ja, Sofie die Kleine, Zarte, das Rehlein, fuhr Annelie
in Gedanken bekümmert fort, während sie Inken gleichzeitig mit einem Lächeln bedachte, bei dem sie sorgfältig darauf achtete, dass es der Situation angemessen und deshalb nicht zu heiter oder sogar überschwänglich war.
„Ich bin ziemlich sicher, liebe Inken, dass Sofie mich aus keinem besonderen Grund sehen möchte“, schwächte sie vorsorglich die Bedeutung ab, die die junge Frau diesem Treffen der beiden Frauen eventuell beimaß. „Wahrscheinlich braucht sie einfach nur etwas Ablenkung, und dafür bin ich genau die Richtige. Vielleicht gelingt es mir, Sofie für ein, zwei Stunden ihre Trauer vergessen zu lassen.“
Das schien Inken nicht gerne zu hören. „Dann hättest du mehr Glück als wir. Wir versuchen es immer wieder, aber sie zieht sich nur zurück und will alleine sein.“
„Nun ja, sie hat ihren geliebten Mann auf eine so unerwartete, tragische Weise verloren“, gab Annelie reichlich pathetisch zu bedenken.
„Er könnte noch leben,
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