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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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gab Thomas heftig zurück. »Und schrei nicht so, du weckst Gerlinde und die Mädchen.«
    »Entschuldige.«
    »Ich dachte, du wärst inzwischen selber draufgekommen. Nachts rumgelaufen bist du ja schon vor Vaters Tod. Nur hat sich da Bernd noch nicht getraut, solche Sachen anzustellen.«
    »Vor Vaters Tod bin ich nie herumgelaufen«, widersprach Paula.
    »Natürlich bist du. Es fing an, nachdem … sag bloß, du weißt das nicht mehr?«
    »Was müßte ich wissen?«
    »Na, von ihren Streitereien. Den Prügeleien, wenn er getrunken hatte«, setzte er peinlich berührt hinzu.
    Paula sah ihn verwirrt an. Was erzählte er da für Dinge? Was wußte er von den tierhaften Schreien, die durch sämtliche Türen drangen, mit denen es jedesmal anfing, das alles waren doch nur Alpträume … Woher kannte er ihre Träume?
    »Sogar ich weiß noch genau, daß ein paarmal die Polizei da war, obwohl ich erst acht war«, hörte sie ihren Bruder sagen. »Einmal wohnte deine … unsere Tante Lilli zwei Wochen lang hier, weil Mutter mit gebrochenen Rippen im Krankenhaus lag. Das kannst du doch nicht alles vergessen haben? Du warst doch damals schon zwölf oder dreizehn.«
    Paula erinnerte sich jetzt undeutlich an einen längeren Aufenthalt Lillis, aber nicht mehr an die gleichzeitige Abwesenheit ihrer Mutter.
    »Einmal hat er doch sogar dir das Gesicht zerschlagen«, flüsterte Thomas.
    »Das ist nicht wahr!« stieß sie verzweifelt hervor. »Mein Vater hat nie so etwas getan. Das sind gemeine Lügen von Bernd und von Mama!«
    »Oh, Paula«, stöhnte Thomas, »das darf doch nicht wahr sein! Jetzt, nach über fünfundzwanzig Jahren, hältst du noch immer treu zu ihm? Er mag ja für dich ein guter Vater gewesen sein, zeitweise, aber er war wirklich kein Chorknabe.«
    Paula fuhr sich mit einer unbewußten Geste über Stirn und Nase, als wollte sie darin nach den Spuren der Wahrheit forschen, einer Wahrheit, die sie längst kannte, aber nie als solche akzeptiert hatte.
    »Er war krank!«
    Thomas’ Ausdruck wurde grüblerisch. »Das ist auch so eine Sache …«, begann er und zerwühlte sein volles, dunkles Haar, wie es auch Paula häufig tat.
    »Was ist so eine Sache?«
    Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her und begann etwas verlegen: »Das mit seiner Krankheit. Als wir, also Gerlinde und ich, als wir uns Kinder wünschten, da wollte sie genau über diese Dinge Bescheid wissen. Ich meine, wegen Vererbung von so was, du verstehst? Ich natürlich auch«. setzte er rasch hinzu.
    Die gute Gerlinde, dachte Paula, das sah ihr ähnlich.
    »Und?«
    »Von der … Anstalt war nichts mehr zu kriegen, alles schon verjährt. Da habe ich Mutter ernsthaft ins Gebet genommen.« Er lächelte seine Schwester ein bißchen schief an.
    »Worauf willst du hinaus?« fragte Paula in nüchternem Ton.
    »Eigentlich wollte ich damit nur sagen, daß Vater nicht geisteskrank war, sondern ein ganz gewöhnlicher Alkoholiker. Und jähzornig, vor allem im Suff. Aber das wollte Mutter nie zugeben. Eine Nervenkrankheit, das klang irgendwie dekadent und vornehm, es erschien ihr wohl weniger asozial als ein Ehemann, der seine Familie im Suff prügelt. Du weißt schon, wegen der Leute.«
    »O ja! Die Leute. Unsere fromme, hochanständige Mutter.«
    »Sie hat deinen Zynismus nicht verdient, Paula.«
    »Warum ist sie nicht einfach weggegangen? Warum hat sie sich nicht scheiden lassen?« rief Paula erbost.
    »Dazu war sie zu katholisch. Außerdem – wohin sollte sie schon? Ich glaube, sie kann bis heute nicht verstehen, weshalb du so an Vater hingst, obwohl er doch der Übeltäter war und sie das Opfer«, seufzte Thomas. »Sie tat, was sie für das Beste für uns alle hielt.«
    »… und ließ ihn kurzerhand in die Irrenanstalt stecken!«
    »Nein«, wehrte er ab. »In die Anstalt kam er erst nach der Affäre mit dem Stromableser.« Er blickte in zwei ratlos fragende Augen, begriff, daß auch dieses Ereignis Paulas Gedächtnis entfallen war, und erzählte ohne Umschweife: »Die Stromrechnung war wohl wieder mal überüberfällig, und der Mann von den Stadtwerken kam eines Abends, um uns den Strom abzustellen. Vater – besoffen wie jeden Freitagabend – ist mit dem Messer auf ihn los und hat den Verletzten dann auch noch im Keller eingeschlossen. Erst als er den Strom wieder angestellt hat, hat er ihn wieder rausgelassen, aber da haben die Nachbarn schon die Polizei gerufen, und die haben ihn in die Anstalt bringen lassen, weil er wie ein Verrückter tobte: Als er einmal drin

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