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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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dadurch ihre knochigen Knie fast nicht mehr unter ihren Schreibtisch bekam, aber es bewirkte, daß sie auf die Leute hinuntersehen konnte, die ihr gegenübersaßen. Das war auch notwendig. Nicht, um dem asozialen Pack, das hier zuhauf verkehrte, den nötigen Respekt einzuflößen, den hatten diese Leute schon von selber; sie wußten um die Macht der Ämter und duckten sich beizeiten, zumal Isolde Schönhaar mit diesen schlampigen Weibern und ihren hustenden, rotznasigen, ständig von irgendwelchen Hautausschlägen befallenen Gören zur Not noch Mitleid haben konnte. Es war notwendig wegen Dämchen wie dieser da. Aufwendig frisiert und schick gekleidet, bestimmt an jedem Finger einen Mann, flatterten sie hier herein und benahmen sich, als wäre es eine Zumutung, eine Anmaßung, daß man sich um ihre verzogenen Kinder kümmerte, die sie selbst gewissenlos auf dem Altar ihrer Selbstverwirklichung – in Wahrheit der schamlosen Gier nach neuen Männern – opferten.
    Isolde Schönhaars Verachtung bekamen diese Damen meist recht schnell zu spüren, und es nützte ihnen am Ende wenig, daß sie mit jedem zweiten Wort ihren Anwalt erwähnten. Die hier war garantiert auch so eine, die sich scheiden ließ, weil man sich »auseinandergelebt« hatte, so wie die Nickel.
    Die Besucherin setzte sich artig, die Beine grazil angestellt, das Handtäschchen auf dem Schoß. Sie trug ein geblümtes Sommerkleid und sah aus, als käme sie von einer Cocktailparty, was immer sich Isolde Schönhaar auch darunter vorstellte. Und das ausgerechnet heute, um zwanzig vor sieben!
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte sie mit kalter Höflichkeit.
    »Irrtum«, war das erste Wort, das die Dame zu ihr sagte, »ich kann etwas für Sie tun.«
    Nachdem Jäckle zum dritten Mal ebenso nachdrücklich wie vergeblich am Gartentor geläutet hatte, wechselte er die Strategie. Er marschierte an dem ehemals weißgestrichenen Holzzaun entlang und näherte sich dem Schlachtfeld aus dem Hinterhalt. Musik wehte ihm entgegen, in den Bäumen schwangen Luftballons, an denen ein lauer Wind zerrte, und auch ohne dieses dumpfe Pochen im Hinterkopf hätte Jäckle gewußt, daß Föhn herrschte. Die dampfige Wärme zu dieser frühen Jahreszeit hatte etwas Drückendes, Unnatürliches. Tückisch lockte sie Gräser und Knospen hervor, um sie vielleicht schon in der nächsten Nacht einem tödlichen Frost auszuliefern oder unter dem Druck einer nassen Schneedecke zu begraben. Sie betrog das Auge, denn in der flirrigen blauen Luft rückten die schneebedeckten Zacken der Alpen so nahe, als seien sie bloß einen Spaziergang weit entfernt: Ansichtskartenwetter. Es roch nach feuchter Erde, nach Fruchtbarkeit und Pferdemist. Pollen krochen unaufhaltsam Jäckles Nasenwände hinauf, er nieste. Seine Augen hatten rote Ränder, sie stammten nicht von den Weidenkätzchen. Ein knallbuntes Paket mit einer lächerlichen rosa Propellerschleife auf dem Arm, bahnte er sich seinen Weg, zuerst durch zartgrün keimendes Unkraut oder was auch immer, dann durch eine Horde sackhüpfender, schokoladenverschmierter, brüllender Kinder, hin zu Paula, die heroisch im niedergetrampelten Gras, hinter einer mit Sägemehl markierten Ziellinie, ausharrte und diverse Trophäen in der hochgestreckten Hand hielt. Die Geräuschkulisse war atemberaubend, und Paula erinnerte ihn ein wenig an die Freiheitsstatue.
    Als man ihn kommen sah, wurden die Kaffeetassen abgestellt, und auf den gepolsterten Teakholzstühlen der Terrasse begann es zu tuscheln. Paula winkte ihm mit roten Gummischlangen zu.
    »Wo befindet sich der Anlaß für diesen Aufstand?« fragte Jäckle, und sie deutete auf einen Sack, der sich wie eine Raupe am Boden wand. Die ersten klebrigen Hände reckten sich um Paula, wie die Fangarme eines Riesenkraken, Gummischlangen flitschten herum, Mohrenköpfe wurden von rosaroten Mäulern verschlungen, dazwischen Geschrei, Geschrei, Geschrei. Jäckle schreckte ein paar Meter zurück und prallte unsanft gegen Karin Braun, die eben über die holprige Wiese gestolpert kam.
    »Ich übernehme das.« Während sie Jäckle freundlich zunickte, flüsterte sie Paula übermütig zu: »Vorsicht, an dem kann man sich leicht verletzen. Eine Figur wie ein Sack Hirschgeweihe.
    Paula reichte ihr augenzwinkernd die Preise und wandte sich an den unerwarteten Gast: »War dir langweilig, oder ist die Kaffeemaschine im Büro kaputt?«
    »Weder noch«, seufzte Jäckle. »Ich hatte gehofft, die Invasion wäre schon vorüber.«
    »Tja,

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