Mordsmäßig fit
Zack Keyman.
»Haben Sie eine Adresse oder Telefonnummer?«
»Nein. Seine Akte ist im Club.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie nachgesehen haben.«
Sie zögerte. »Wie lange, glauben Sie, wird es dauern, bis Sie mit ihm sprechen?«
»Sie haben wohl nicht viel mit Bullen zu tun, he? Wenn ja, wüßten Sie, daß wir seltener sind als Pisse auf einem Stein. Wir leben in der Ara des Drogenhandels. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, diesem Keyman hinterherzurennen zählt nicht gerade zu meinen Hauptbeschäftigungen. Hört sich an, wie an den Haaren herbeigezogen. Noch dazu ohne offensichtliches Verbrechen. Wann? Wenn ich Zeit habe. Das ist alles, was ich tun kann.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, fühlte sie sich wieder, als ob sie nicht alleine in ihrem Apartment war, als ob jemand sie bespitzelte. Sie studierte die Fenster der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Einige waren dunkel. Irgendjemand konnte sie von dort beobachten. Sie zog die Vorhänge zu; zum Schutz vor neugierigen Augen und gegen die Kälte. Es half nichts. Sie versuchte, sich in den Schlaf zu lesen. Normalerweise funktionierte es mit einem Liebesroman: Wunderschöne junge Frau sucht wahre Liebe. Spitzenmieder und Männlichkeit. Liebe! Flucht! Sie vertiefte sich in ihren neuesten Roman. Ohne Glück. Zwischen der britischen Blockademacht tauchten die Gesichter von Eloise St. Martin und Nicole Thurston auf und klebten wie Blutegel an den Gesichtern der gesunden Londoner Seefahrer. Sie ließ das Taschenbuch auf die Bettdecke sinken.
Was bedeuteten die beiden Toten für den Club? Wie sollte sie gleichberechtigt neben Peter sein, wenn sie sich nicht mehr durchsetzte? Sie grübelte eine Weile über das Problem von SHAPE nach. Dann zeichnete ihr völlig überfordertes Hirn das Bild von Hector Sturm. Sie stöhnte, als ein ganzer Schwarm Erinnerungen sie wie eine vorrückende Armee überfiel - zu viele davon erotisch und erfreulich. O nein! Sie hatte sich entschieden. Sie mußte es ihm einfach sagen. Wenn er nur nicht so von sich selbst eingenommen wäre. Und so reich und so ein guter Liebhaber... Wenn sie nur nicht so leicht zu kontrollieren und so leicht zu manipulieren wäre. Sie mußte lernen, sich für sich selbst stark zu machen. In den Morgenstunden schlief sie endlich ein. Sie erwachte schlecht gelaunt, war aber froh, daß Freitag war. Sie schleppte sich in schlechter Verfassung in den Club. Wie schlecht, merkte sie erst, als sie auf Wunsch eines neuen Mitglieds zur Rezeption gerufen wurde. Ihr blieb beinahe die Luftweg, als sie ihn sah. Sam Springs, ihr verflossener Geliebter. Ihr Magen rebellierte. Ihn so unerwartet anzutreffen, brachte ihre Gefühle in Aufruhr.
Sein Grinsen war breit wie ein Ozean. »Gut, dich wiederzusehen, Grübchen«, begrüßte er sie herzlich.
Diese abgedroschene Vertraulichkeit ließ sie innerlich aufstöhnen. »Sam«, sagte sie gleichmütig, »Was hat dich denn hierher verschlagen?«
»Ich bin Mitglied! Familienkarte. Dinah hat uns auf ihren Namen eingeschrieben.« Er kicherte. Dieses abgeschmackte Lachen, das sie schon seit zwei Jahren nicht mehr gehört hatte. Die Zeit hatte es nicht verbessert - ihn auch nicht. »Ich wollte sie nicht unter meinem Namen haben. Schätze, du hättest mich wieder an die Luft gesetzt.«
Das hätte sie auch getan. Sie hatte ihn nie wieder sehen wollen. Seit jenem Tag im Stehkaffee, als sie ihren letzten Streit gehabt und dann ihre Beziehung abgebrochen hatten, hatte sie nichts mehr von ihm wissen wollen. Seitdem kaufte sie dort nicht mal mehr Kekse. Jetzt sah sie ihn mit ganz neuen Augen. Das jungenhafte Gesicht war ein wenig aufgedunsen, aber es sprühte noch immer von der gleichen Energie, die sie einst angezogen hatte. Diese Energie hatte eine Intensität, die ihn als unabhängigen Computer-Hardware-Vertreter so erfolgreich machte. Er hatte einmal mit Leichtigkeit ungeheuer viel Geld gemacht. Unermüdlich war er auf der Suche nach neuen Kunden, nach Vergnügen, Reisen, Aufregung und Sport. Er war ein Macher! Nach und nach hatte sie verstanden, daß seine Energie manisch war, sich abwechselte mit Lethargie und Depression. Er war Experte im Verheimlichen seiner Krankheit; er unternahm einsame Trips, wann immer seine geistige Balance in die Dunkelheit kippte. Trotzdem hatte sie die Entscheidung, mit ihm zusammenzuziehen, lange vor sich hergeschoben. Typisch für sie, hatte sie ihn ihr ganzes Leben regeln lassen, ließ sich von ihm überzeugen, es sei nicht nur finanziell von
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