Mordsmäßig fit
Vorteil, sondern auch eine weise Entscheidung. Erst als sie täglich zusammen waren, erkannte sie hinter seinem so bestimmten, klaren Auftreten die ausgefeilte Bühnenmaschinerie. Seine Krankheit allein hätte sie nicht entmutigt. Sie hätte ihm beigestanden. In manchen Dingen war sie hart im Nehmen. Auch die Parade von Psychiatern, Therapeuten, komplizierten Tests und Analysen und die so entstehenden Kosten hätten sie nicht dazu gebracht, ihre inoffiziellen Gelübde zu brechen. Es waren Sams Drohungen und Angriffe, die einen Keil zwischen sie trieben. Und dennoch drang die unvermeidliche Wahrheit nur langsam durch die dicke Schale ihrer Hartnäckigkeit. Erst als Ärzte sie überzeugten, daß es jenseits von Sams Kräften lag, seine selbstmörderischen und feindseligen Handlungen zu kontrollieren, fing sie an, eine Trennung in Betracht zu ziehen. Und dann, um ihr die Sache völlig klar zu machen, bedurfte es zweier Mißhandlungen. Nachdem sie das zweite Mal schrecklich von ihm zugerichtet worden war, traf sie sich mit ihm im Stehkaffee und brachte die Sache zu Ende.
»Wie ist es dir so ergangen, Sam?« fragte sie.
»Meinst du seit dem Aufenthalt im Krankenhaus?«
»Ich denke schon. Wie geht es dir?«
»Besser denn je.« Er hielt einen Finger hoch - den Daumen. »Was für einen Freund ich in Lithiumkarbonat habe! Gleicht alles aus.« Er machte leichte Wellenbewegungen mit seiner Hand. »Glättet meine gute alte Seele. Keine Trips mehr zum Himmel; keine Achterbahnfahrten mehr in die Hölle. Für eine Weile war es ein bißchen holprig, mein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen, meine ich. Aber ich hab’s geschafft! Medikamente sind die Lösung! Hätte mein Comeback nicht ohne Dinah machen können. Hey, Liebling! Komm’ her. Ich will dich mit Grübchen bekannt machen!«
O ja. Dawn erinnerte sich genau an das Gebrüll durch einen mit Menschen gefüllten Raum. Wie schön, das nicht mehr in ihrem Leben haben zu müssen. Dinah kam angetrottet. Mein Gott! Sie war ein Rotschopf und trug einen dieser Anzüge aus dem Umklammer-mich-Stoff.
Die perfekte Wahl für ihre runde, durchtrainierte Figur. Die Sommersprossen in ihrem breiten Gesicht paßten gut zu den tiefgrünen Augen. Nur der Mund war etwas zu groß; aber ihre Zähne dafür weiß und gleichmäßig. Ein gutaussehende junge Frau, dachte Dawn, und verspürte nicht die leiseste Eifersucht. Automatisch schielte sie auf Dinahs linken Ringfinger. Dinah und Sam waren nicht verheiratet.
Dinah schaute sie auch nicht gerade voller Wärme an. Abschätzend betrachtete sie Dawn von Kopf bis Fuß. »Sehr erfreut«, sagte sie. »Sam spricht immer noch von Ihnen.« Sie stieß ihn leicht an. »Zu viel, denke ich manchmal.«
»Keine Sorge, Kinder. Der Fall Grübchen und ich ist gegessen.« Sams Gesicht brannte mit der allzu bekannten Energie. »Ist reiner Zufall, daß ihr die Hälfte des Clubs gehört.«
Dawn stellte alle Antennen auf.
»Woher weißt du das, wenn ich fragen darf?«
Sam zwinkerte - eine andere seiner alten, abstoßenden Angewohnheiten. »Geschäftsgeheimnis.«
»Welches Geschäft?«
Er zuckte mit den Schultern. »Später, okay Grübchen? Ich bin ein Familienmitglied hier, halb geschäftlich, halb zum Vergnügen.«
Seine Rätsel hatten Dawn schon immer verärgert. »Würde es dir etwas ausmachen, das zu erklären?«
»Ich arbeite für Healthways, New England.« Dawn kannte die Organisation. Die größte Clubkette der Gegend. Sie machten auch Lizenzverträge. Burger King-Körpertraining.
»Was tust du denn für die?«
»Wir sprechen später drüber.«
Dawn schluckte ihre Irritation hinunter. Zu Dinah sagte sie: »Wie lange seid ihr schon Clubmitglieder?«
»Über zwei Wochen.« Dinahs Stimme war tief, ungereizt. Dawn hatte das Gefühl, daß ihr Ex mit Dinah Glück gehabt hatte.
»Netter Club. Ich amüsier’ mich prächtig!« Sam legte seinen Arm um Dinahs Schulter. »Wollte dich nur wissen lassen, daß es mich noch gibt, Grübchen. Ist ja nicht notwendig, daß du mich zufällig triffst und einen Herzanfall bekommst. Demnächst reden wir, okay?«
»Worüber?« fragte Dawn etwas unterkühlt. Sie hatte genug von seinem Doppelspiel. Dinah und Sam zogen Arm in Arm davon.
»Geschäft. Wir reden über Geschäftliches«, sagte er, bevor er ihr ein letztes Mal zuzwinkerte.
Normalerweise verbrachte Dawn die meiste Zeit ihres Wochenendes im Club. Sie erledigte dann längst fälligen Papierkram und andere dringende Arbeiten. An diesem Sonnabend
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