Mordsmäßig fit
großen Löchern, daß eine Boeing 747 hätte durchfliegen können. Aber anstatt den Mund zu halten, machte sie es noch schlimmer, indem sie versuchte, die Löcher zu füllen, zu erklären, ausführlicher zu erläutern. Sie verzettelte sich total. Sie liefen auf einem schmalen Bürgersteig, vorbei an Schaufenstern. Die Stadtreinigung war fleißig gewesen. Die aufgehäuften Schneeberge vor ihrem Wohnhaus paßten nicht zu diesem Geschäftsviertel. Deshalb war es auch für Hectors Limousine so leicht, wurde ihr später klar, kurz vor ihnen auf den Bürgersteig zu brausen, bevor sie merkte, was eigentlich vor sich ging.
Hector kletterte gewandt aus dem hinteren Teil des Wagens und stand vor ihnen, auf dem vom Neonlicht der Geschäfte beleuchteten Bürgersteig. Er trug einen teuren Kamelhaarmantel und einen russischen Zobelhut. Jeff beachtete er kaum. Seine Augen funkelten sie an. Sie verlangsamte ihren Schritt zögernd.
»Dawn, ich kann deine Dummheit wirklich nicht akzeptieren.« Er machte einen Schritt auf sie zu. Sie konnte jetzt sehen, daß seine Augen gerötet waren, seine normalerweise tadellose Frisur zerzaust war. Hatte er ihretwegen geweint?
»Welche Dummheit?« fragte sie.
»Mit mir zu spielen, bevor du endlich tust, was du tun solltest - mit mir zu kommen.«
Sie errötete. »Hector, das hier ist der Masseur vom Club -«
»Ich will dich und ich liebe dich! Ich habe das Gefühl, du glaubst mir nicht.«
»Hier ist weder der Ort noch die Zeit, um wieder davon anzufangen!«
»Ich wette, das hier ist unser Blumenkind«, sagte Jeff. »Der Hang zur Übertreibung ist nicht zu übersehen.«
»Halt mich nicht zum Narren, Junge.« Hectors Blick streifte kurz Jeffs hagere Gestalt. »Ich bin jetzt, mehr denn je, der Mann, dem man sich nicht entgegenstellen sollte.« Er ergriff Dawns Arm. »Meine Liebe, daß ich mich verhalte, wie ich es tue, müßte dir klarmachen, daß ich die Wahrheit sage - und daß Aufrichtigkeit und Dauerhaftigkeit hinter meinem Angebot stehen.«
Sie krümmte sich innerlich. Es gab keinen Zweifel. Über die Monate hatte er sich eine Nische in ihrem Herzen erobert. Aber jetzt ging alles so entsetzlich schief. »Hector, nein. Bitte - geh!«
Er versuchte zu flüstern, sich an einen Strohhalm ihrer Vertrautheit zu klammern. Aufgeregt wie er war, kamen seine Worte in einem erstickten Bariton hervor. »Ich habe ein Bankkonto für dich eröffnet. In meiner Tasche habe ich zwei Tickets nach Sint Maarten. Man hat mich in die Villa eines Freundes eingeladen. Wenn wir wiederkommen -«
»Nein, Hector. Nein! Ich habe dir doch gesagt, ich werde beim Club bleiben.« Sie versuchte, ihren Arm loszureißen.
Sein Gesicht verdüsterte sich. »Hast du es denn noch nicht begriffen, Dawn? Der Club ist am Ende! « Er deute auf die offene Limousinentür. »Dein Schicksal liegt dort. Bei mir!« Er zog sie Richtung Wagen.
»Hector, nein! Laß mich los!«
Sie war sich nie richtig im klaren darüber gewesen, was Jeff dann getan hatte. Was - ganz plötzlich - geschah, war dem nicht unähnlich, was sie im >Kung-Fu-Theater< gesehen hatte. Nur erschreckend flinker! Jeffs Hände peitschten gegen Hectors Hals - ein, zwei, drei Viper-Schnell-Schläge. Der ältere Mann taumelte. Dann schnappten ihn Jeffs Hände und schleuderten ihn in den Wagen. Jeff schlug die Tür zu.
»Fahr weiter, James!« rief er. Dawn hielt er seinen Arm hin. Lass’ uns gehen«, sagte er.
Schweigend eilten sie weiter. Dawns Ohren waren geschärft, weil sie noch Hectors bellende Stimmer erwartete. Als es ruhig blieb, blickte sie zurück. Die Limousine stand unbeweglich. Was auch immer hinter den dunklen Scheiben vor sich ging, es hatte nichts mit Verfolgung zu tun. Sie schämte sich, daß sie im Aufruhr anderer Gefühle auch die süße Gewißheit spürte, begehrt zu werden. Alles zwischen ihr und Hector veränderte sich. Das gab ihr Hoffnung, daß sie ihm wahrhaftig entkam.
»Willst du drüber reden?« fragte Jeff.
»Das ist genau das, worüber ich vorhin schon gequatscht habe. Warte, bis sich die ganze Dawn-Patrouille versammelt hat. Dann werdet ihr alles erfahren.« Ihre Stimme klang unsicher.
»Wie du willst.«
Sie blickte fragend zu ihm hoch, lächelte. »Du hast nicht nur Religion in Asien studiert, oder?«
Er grinste. »Hin und wieder brauchte ich eine kurze Zerstreuung von der höheren Gedankenwelt und den geistigen Disziplinen. Ich widmete mich einer anderen Disziplin: Kampfsportarten.«
Den Rest des Weges bis zu Beths Apartment gingen
Weitere Kostenlose Bücher