Mordsmäßig fit
wie mächtige Würste. Die besten Hände, um einen Mörder zu fangen. »Ich konnte auch mit den Lichtern über den Notausgängen gut genug sehen. Ich war im Erdgeschoß. Plötzlich hörte ich was. Ganz sicher. Jemand bewegte sich. Ich rief etwas und lief auf das Geräusch zu. Wer auch immer es war, flüchtete die Treppen rauf.«
»Hast du erkannt, wer es war?«
»Nein. Da noch nicht. Später. Ich erzähl’s Ihnen. Ich rief was. Er rannte weg. Ich hinter ihm her, die Treppen rauf. Ich dachte, ich folge ihm ganz nach oben und treib’ ihn in die Enge. Aber irgendwie ist er mir durch die Lappen gegangen. Hörte ihn mit dem Fahrstuhl runterfahren. Ich wieder die Treppen runter. Ich dachte, er geht durch den Hauptausgang. Aber er fuhr auf Straßenhöhe und verschwand durch einen der Notausgänge - halbe Sekunde, bevor ich ihn erwischte. Er flog geradezu. Ich hinterher. Er rannte ums Gebäude herum, in die Dunkelheit. Ich bin ausgerutscht und setzte mich auf den Hintern. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, war er auf und davon. Später habe ich die Tür unter die Lupe genommen. Irgendwann tagsüber muß am Riegel herumgespielt worden sein. Mit einem Stück Holz, so daß man vom Parkplatz aus reinkommen konnte.«
»Aber du hast ihn nicht erkannt?«
»Naja...« Karl drehte für einen Moment den Kopf zur Seite. Dann schaute er Dawn mit seinen grauen Augen fest an. »Nicht sicher. Vielleicht. Hab ihn nur ganz kurz zu Gesicht bekommen. Könnte mich irren, okay? Sehr leicht irren. Aber ich muß es Ihnen sagen, oder? Weil es schlecht steht um SHAPE.«
»Ja doch. Sagen Sie’s.«
»Könnte, wie heißt er gleich, der Massagetyp gewesen sein.«
»Jeff? Jeff Bently?«
»Genau. Das ist der Typ.«
Dawn hielt sich am Schreibtisch fest. Sie hoffte, Karl sehe ihre vor Anspannung weißen Knöchel nicht. Sie bedankte sich bei ihm, sagte, sie werde bald mit ihm sprechen, ihm mitteilen, was sie mit seiner Information anfange. Als er weg war, riß sie ihre Hände vom Schreibtisch los. Jeff? Nein, nicht Jeff! Er war kein Mörder. Er war kein Betrüger. Sie erinnerte sich an seine sanften Hände... Sie sprang auf, rannte zum Spiegel. Ihr Gesicht war verzerrt, die Maske einer betrogenen Frau. Nein, nein! Sie wirbelte herum, versuchte sich zu fassen. Egal, daß sie wie ein Monster aussah. Sie stürzte die Treppen zum Massagestudio hoch. Jeff konnte nichts damit zu tun haben. Es konnte nicht sein! Die Tür war geschlossen. Eine Notiz klemmte daran. Jeff war heute nicht zu sprechen. Sie lehnte sich an die Tür. Nein, nein, nein! Sie reagierte übertrieben. Ihr Verfolgungswahn vergiftete ihre Gefühle für ihn. Reiß dich zusammen, Gray, sagte sie sich. Sei nicht so voreilig mit deinen Verdächtigungen. Nach einiger Zeit entfernte sie sich von der Tür und ging hinunter zu Beth. Sie beobachtete ihre Freundin von der Tür des Trainerraumes aus. Sie arrangierte gerade einen frischen Strauß Blumen. Dawn war jetzt nicht danach, in die vor Freude strahlenden blauen Augen zu blicken. Sie flüchtete. Sie rief Jeff zu Hause an. Keine Antwort. Wo steckte er. Sie war zu durcheinander, um sich effektiv mit SHAPE auseinandersetzen zu können. Die Witwe des ermordeten Reporters erhob Klage. Die Geschäftsmanagerin wedelte mit einer Liste von Rechnungen. Welche, fragte sie Dawn, brauchten sie noch nicht zu bezahlen? Es gab Bargeldprobleme. Peter wollte wissen, wann sie noch mal mit ihm über sein Angebot sprechen wolle. Er habe es sich noch mal durch den Kopf gehen lassen und könne ihr vielleicht ein besseres Angebot machen. Sie sah Zackflüchtig, zusammen mit »Touristen«, die eine Tour zu den Tatorten haben wollten. Sie konnte es nicht länger ertragen! Sie griff nach ihrem Parka und steuerte auf die Tür zu. Zu Hause kroch sie in ihr Bett. Alle halbe Stunde rief sie Jeff an. Siebzehnuhrdreißig antwortete er.
»Ich muß mit dir reden«, platzte sie heraus.
»Sprich.«
»Persönlich! Wo warst du heute?« Er antwortete nicht. Ihr Herz schien auch eine Pause zu machen. »Warum sagst du nichts?«
»Weil es dich vielleicht nichts angeht. Was ist los?«
»Bitte, komm her. Jetzt.«
Fünfunddreißig Minuten später war er da. Bis er kam, hatte sie sich so in ihre Wut hineingesteigert, daß sie gar keine Angst mehr vor ihm hatte. Er hatte seine Jacke noch nicht ausgezogen, da sagte sie schon: »Letzte Nacht ist jemand im Club herumgeschlichen. Karl hätte ihn beinahe geschnappt. Er glaubt, du warst es.«
Ein flüchtiger, gequälter Ausdruck
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